Dieses Porträt ist eine von vier Vorstellungen von Filmemacher*innen, die seit Start von Cinema Next sehr präsent waren, aber wir ein wenig aus den Augen verloren haben. Sie haben entweder einen anderen Fokus oder sind ‚groß‘ geworden und dem Cinema-Next-Nachwuchskosmos einfach auch entwachsen. >> zu den Porträts Was macht eigentlich …?
Eine Auswahl an Karins Filmen sind beim KINO VOD CLUB in der Cinema Next Series kostenfrei online verfügbar.
„Ich fühle mich am wohlsten im Dazwischen“
Karin Fisslthalers Kunst haben wir schon geschätzt, als wir in den 2000er Jahren in Salzburg noch das Student*innenfilmfestival film:riss veranstalteten. Auch in den ersten Cinema-Next-Jahren war Karin für uns dauerhaft präsent: Ihre Filme liefen in unseren Programmen, auch war sie mal Gast beim Breakfast Club. In den letzten Jahren haben wir Karin und ihr Tun ein wenig aus den Augen verloren. Wir wollten wissen, was unsere langjährige Wegbegleiterin jetzt macht.
Karin, nachdem du bis Mitte der 2010er Jahre fast jedes Jahr einen oder gar zwei Filme veröffentlicht hast, scheint sich dein Fokus in den letzten Jahren mehr in Richtung Bildende Kunst gelegt zu haben. Deine Arbeiten sind also eher in Ausstellungen und Galerien als jetzt bei Filmfestivals zu sehen. Wie hast du in den letzten drei, vier Jahren künstlerisch gearbeitet und gelebt, was war dein Fokus?
Karin Fissthaler: Meine Interessen sind ständig im Fluss und ich bewege mich andauernd zwischen Musik, Film, bildender Kunst – neuerdings auch universitärer Lehre und Publikationen. Ich wähle immer die Sprache, die für mich und die jeweilige Idee passend erscheint, und auch den Kontext, in dem ich jemanden erreichen will. Ich habe mich tatsächlich in den letzten Jahren viel auf meine Found-Footage-Collagen und auf die Zusammenarbeit mit der Galerie, die mich vertritt, konzentriert – einerseits, da ich schon immer gerne Arbeiten abseits des Computers machen wollte, andererseits sich auch mit der bildenden Kunst mehr Geld verdienen lässt. Ich habe das lange aufgrund meiner ‚Indie-Attitude‘ verweigert, aber derzeit passt das für mich.
2018/2019 war ich hauptsächlich mit der Fertigstellung meiner Doktorarbeit im Bereich der künstlerischen Forschung an der Kunstuniversität Linz beschäftigt und habe dafür erstmals eine Kunstpublikation veröffentlicht. Seitdem lehre ich auch experimentelles Video an der Uni. Ich habe eine Ausstellung über die Kunst der Freundschaft mitkuratiert, bin Sängerin des neuen Musikprojekts The Happy Sun von Gerhard Potuznik, habe an einem Filmessay gearbeitet, der noch unveröffentlicht ist, ein neues Cherry-Sunkist-Album ist in Arbeit, ich habe gerade zwei neue Filmepisoden meines Langzeitprojekts *WOMEN fertiggestellt … Fokus gibt es nicht, wie man bemerkt.
Eine Found-Footage-Collage von Karin Fisslthaler:
Kristall (La Passion de Jeanne d’Arc, II/B ), 2014/2016, Paper Object, Filmstill Cut-Outs on Fine Art Print, 37 x 31 x 4,5 cm. Courtesy: Galerie Raum mit Licht, Wien (© Bildrecht, 2021)
Du bist als bildende Künstlerin, Filmemacherin und Musikerin tätig. Jeder Kunstbereich erfordert eine andere Performance, erzeugt andere Erwartungen und trifft auf unterschiedliche Publika. Was sind in den jeweiligen Sparten Potenziale und Hürden, jetzt für dich persönlich, als Künstlerin? Wo fühlst du dich warum wohl oder mitunter auch unwohl?
Man ist ja vieles und nicht immer gleich. Ich schätze an jeder Sparte seine Eigenheiten, seine Räume, die jeweiligen Kolleg*innen und sein Publikum. Jede Disziplin hat aber auch spezifische Defizite. Ich wollte mich nie festlegen und fühle mich am wohlsten im Dazwischen. Es ist ein bissl schizophren: Wenn ich mehrere Konzerte spiele und als Person im Fokus stehe, sehne ich mich nach der Anonymität des Kinos oder des Kunstbetriebs und nach dem Verschwinden hinter meiner Arbeit. Konzentriere ich mich länger auf diese Disziplinen, wird die Sehnsucht nach dem individuellen Ausdruck wieder sehr stark. Ich habe in der Musik das Publikum immer als viel offener begriffen und die Räume ungezwungener. Musik ist speziell, denn sie ist das körperlichste Medium und dadurch das wirksamste. Im Kino einen Film zu zeigen, ist etwas anderes als in einer Ausstellung, denn man ist quasi an den Kinostuhl gefesselt und es gibt einen Anfang und ein Ende. Als Künstlerin ist es spannend, all dies zu bedenken.
Bildende Künstlerin, Filmemacherin, Musikerin. Karin Fisslthaler, 1981 geboren und in Oberndorf bei Salzburg aufgewachsen, absolvierte das Studium der Experimentellen Gestaltung und das PhD-Studium der künstlerischen Forschung an der Kunstuniversität Linz. Sie beschäftigt sich mit Fragen der medialen Repräsentation von Identität, Körper und Geschlechterkonstruktionen und arbeitet dabei zumeist mit Found Footage. Seit 2003 performt sie als Cherry Sunkist auch elektronische Musik. Oben verlinkt ist das Musikvideo GLASS (R: Martin Musič, 2010, 5 min) >> Karins Webseite
Deine früheren filmischen Arbeiten haben alle konzeptuell-theoretische Überlegungen als Basis und sie wirken auch sehr filmisch ‚voyeuristisch‘, sie arbeiten sehr viel mit Gesten, Körper, Blicken, auch mit Film(material) und Kino selbst. In den letzten Filmarbeiten von dir — What is Money (2018) und v.a. Alice Remixed (2017) — bringst du eine weitere diskursive Ebene hinein: Text. In Alice Remixed zitierst du bspw. auch Michel Foucault. Wird Text oder Sprache in deiner Arbeit präsenter oder immer wichtiger?
Das ist eine interessante Beobachtung und kommt sicher daher, dass ich durch die Arbeit an meinem Doktorat so viel gelesen habe und auch schreiben musste. Texte waren auch immer wichtig in meiner musikalischen Arbeit und sie werden immer relevanter. Ich wollte mich in meiner Kunst immer auf alles abseits der Worte und der Schrift konzentrieren, da ich dachte, das Wort liegt mir nicht, es ist mir zu eindeutig und man schreibt damit zu schnell allzu viel fest. Ich war immer der Meinung, Kunst beginnt da, wo die Worte nicht hinreichen. Ich hatte immer mein Problem mit Text, da ich die Linearität nicht mag, denn unser Denken ist es ja auch nicht. Ich finde es jedoch interessant, neue Ebenen im Film auszuprobieren und Text als Bild oder Sound zu benutzen. In meinen neuen Arbeiten spielt Text keine Rolle.
Welcher deiner Filme kannst du dir immer noch zig-fach anschauen und warum?
Ich mag die Arbeit Goodbye [2013], weil der Song vielleicht mein gelungenster ist. Ich finde es schön, wenn mein Film Satellites [2011] in der 35mm-Fassung gezeigt wird, denn er verändert sich mit jedem Screening. Es kommen Artefakte und Kratzer hinzu, und das Bildmaterial, das von YouTube stammt, wirkt bereits historisch, da der Film inzwischen zehn Jahre alt ist. Ich habe einen speziellen Bezug zu seinen anonymen Protagonist*innen und es ist jedes Mal sehr befremdlich, dass ich diese Arbeit gemacht habe. Satellites besitzt ein Eigenleben, das macht den Film für mich befremdlich, aber deswegen mag ich ihn auch so.
Wenn es eine Arbeit von dir gibt, die deinen Zugang und dich als Künstlerin im Kern am besten trifft, welche wäre das?
Das ist sehr schwer, denn ich müsste benennen, womit ich mich am meisten identifiziere. Ich müsste mich auf eine Arbeit und ein Medium festlegen und das will ich nicht. Ich möchte mich nicht festlegen müssen. Es wäre vielleicht eine meiner ersten Videoarbeiten und ein aktueller Musiksong. Beides ist sehr persönlich und beides zeigt vielleicht einen ‚Kern‘, der in anderen Arbeiten transformierter ist. Aber es geht immer irgendwie um dasselbe.
Still aus Satellites.
Still aus Goodbye.
von Dominik Tschütscher, im Dezember 2021
In der Cinema Next Series beim KINO VOD CLUB sind folgende Filme von Karin Fisslthaler kostenfrei und im österreichischen Geoblocking im Stream verfügbar (bis 31.12.2022!):
Satellites (2011, 7 min)
Goodbye (2013, 2:30 min)
Brainbows (2015, 2:30 min)
Hidden Tracks (2015, 6 min)
Alice Remixed (2017, 11 min)
>> zum Stream