Dieses Porträt ist eine von vier Vorstellungen von Filmemacher*innen, die seit Start von Cinema Next sehr präsent waren, aber wir ein wenig aus den Augen verloren haben. Sie haben entweder einen anderen Fokus oder sind ‚groß‘ geworden und dem Cinema-Next-Nachwuchskosmos einfach auch entwachsen. >> zu den Porträts Was macht eigentlich …?
Die drei Diplomfilme der Trickfilmer sind beim KINO VOD CLUB in der Cinema Next Series kostenfrei online verfügbar.
„Die Situation ist deutlich besser als vor zehn Jahren“
Vor zehn Jahren, im Juni 2011, sind drei Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg mit ihren Abschlussfilmen nach Wien zurückgekommen und haben mit großem Auftritt den ‚Neuen Österreichischen Trickfilm‘, kurz NÖT, verkündet. Seither ist bei den Trickfilmern Johannes Schiehsl, Benjamin Swiczinsky und Conrad Tambour viel passiert. Wir wollten wissen, wie sich NÖT seither entwickelt hat.
Für die Präsentation eurer drei Filme vor zehn Jahren hattet ihr sehr ‚österreichische’ Filme im Gepäck mit prominenten Schauspieler*innenstimmen, von Erni Mangold bis Peter Hörmanseder. Habt ihr gewusst, dass das in Österreich, wo es eigentlich keine Tradition für narrativen Animationsfilm gab, auf fruchtbaren Boden fallen würde?
Benjamin Swiczinsky: Vor zehn Jahren war die Situation tatsächlich noch eine etwas andere als heute. Es gab aus unserer Sicht damals überproportional viele Experimentalfilme mit einer langen und erfolgreichen Tradition in Österreich, jedoch noch sehr wenige Filmemacher*innen und Studios, die sich auf narrativen, wenn man so will ‚kommerzielleren‘ Animationsfilm konzentrierten. Heute zeigen Studios wie LWZ, Salon Alpin, Arx Anima und andere, dass sich die Situation eindeutig geändert hat. Diese Studios und Zusammenschlüsse wurden interessanterweise alle ca. zur gleichen Zeit wie NÖT gegründet. Man könnte also sagen, die Zeit war reif dafür … Cinema Next ist ja, glaube ich, auch ca. so alt wie wir, oder?
Ja, auch wir sind jetzt 10! 🙂 Könnt ihr in eigenen Worten beschreiben, was seit dem Juni 2011 bei euch passierte? Wohin und wie hat sich NÖT, also der Neue österreichische Trickfilm, entwickelt?
Conrad Tambour: Mit der Fernsehserie Hexe Lilli haben wir unsere ersten Erfahrungen mit der Praxis im Rahmen einer großen internationalen Koproduktion machen können. Wir bekamen damals nach der Premiere unserer Abschlussfilme die Gelegenheit, am Relaunch der Serie mitzuarbeiten und Regie bei der neuesten Staffel zu führen. Wir haben dann schon parallel angefangen, an Auftragsproduktionen zu arbeiten und animierte Kurzfilme oder Sequenzen für Dokumentationen, Spielfilme oder Werbungen zu machen. Bis heute ist das unser Arbeitsbereich. Währenddessen arbeiten wir an eigenen Projekten und finanzieren diese teilweise über die Filmförderung.
Ihr macht alles, was Animation leisten kann: narrative Kurzfilme, VFX für Kinofilme und Werbung, Musikvideos, Animationen für eine Virtual-Reality-Geisterbahn, eine eigene Animationswebserie, auch ein Graphic Novel ist auf eurer Webseite gelistet. Was macht euch am meisten Spaß? Wo seht ihr für euch das größte Potenzial, wo noch die großen Hürden?
Benjamin: Die Projekte, die man selbst entwickelt und umsetzt, machen in der Regel natürlich deutlich mehr Spaß, als solche, wo man gewisse Vorgaben erfüllen muss. Aber auch Auftragsarbeiten können sehr viel Spaß machen. Hier ist das Maß der kreativen Freiheiten natürlich von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich. In der Regel kann man sagen: Je mehr Budget da ist, desto weniger Freiheiten gibt es. Aber auch hier gibt es natürlich Ausnahmen. Am meisten machen uns natürlich Projekte Spaß, wo wir uns kreativ stark einbringen können und auch die Chemie zwischen Auftraggeber und uns gut ist. Sowas kann man im vornherein leider selten vorhersagen.
Eine der größten Hürden bei fast jedem Projekt ist natürlich die Finanzierung. Bis zum Beispiel ein von uns ausgehendes Projekt finanziert ist, können oft Jahre vergehen. Viele Projekte bleiben oft auch in dieser Phase stecken und werden nicht weiterverfolgt. Es sind auf jeden Fall immer viel mehr Projekte in Planung als Projekte, die dann realisiert werden.
Folge 1 der Webserie Birne, Schädel & Haupt (seit 2016), laut NÖT-Webseite „die erste deutschsprachige Animationswebserie der Welt“:
Gibt es etwas, was denn groß auf eurer NÖT-Wunschtafel steht und ihr in den nächsten fünf, zehn Jahren unbedingt erreichen wollt?
Conrad: Bis jetzt haben wir es uns ermöglicht, von dem, was wir gerne tun, leben zu können. Das weiterhin zu schaffen, ist unser Hauptwunsch.
Immer wieder hört man, dass es der (kommerzielle) Animationsfilm in Österreich schwer hat. Seht ihr das auch nach zehn Jahren NÖT-Arbeit so? Und wenn ja, woran liegt das, und was müsste sich ändern?
Benjamin: Die erfolgreiche Realisierung eines Animationsfilms hat natürlich bei uns auch immer stark mit der hiesigen Filmförderungslandschaft zu tun. Das ist nach wie vor noch sehr ausbaufähig. Allerdings ist die Situation schon deutlich besser als vor zehn Jahren, als es für die Einreichung von Animationsfilmprojekten teilweise gar nicht die nötigen Formulare gab. Dass zum Beispiel mit dem kommenden Deix-Film der erste kommerzielle abendfüllende Animationsfilm aus Österreich bald in die Kinos kommt, zeigt eindeutig, dass hier eine Veränderung stattfindet. Wir hoffen, dass der Film auf fruchtbaren Boden stößt, damit auch in Zukunft weitere solche Projekte – vielleicht von jemandem von uns – realisiert werden können.
von Dominik Tschütscher, im Dezember 2021
In der Cinema Next Series beim KINO VOD CLUB sind folgende Filme vom Neuen Österreichischen Trickfilm kostenfrei und im österreichischen Geoblocking im Stream verfügbar:
Der Besuch (von Conrad Tambour, 2011, 9 min)
Heldenkanzler (von Benjamin Swiczinsky, 2011, 12 min)
366 Tage (von Johannes Schiehsl, 2011, 13 min)
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