Jakob Pochlatko, Jahrgang 1984, ist Filmproduzent, seit 2016 Geschäftsführer der Epo-Film. Er gehört zu den ‚großen‘ Produzenten Österreichs, der sowohl fürs Kino (bspw. Klammer – Chasing the Line, NOBADI und Jack) wie auch Fernsehen arbeitet. Mit der Epo-Film produzierte er TV-Filme und -serien wie Der Pass und Die Ibiza Affäre (beide für Sky Originals) und für die ORF-Formate Landkrimi und Tatort.
Der folgende Text ist einer von zwei Beiträgen zum Thema Arbeiten fürs Fernsehen
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Immer wieder taucht vor allem von jungen FilmemacherInnen die Frage auf, wie es sei, für das Fernsehen zu arbeiten. Und oft schwingt da schon bei der Frage eine gewisse Farbe mit, die zumindest an Vorbehalte gegenüber einer derartigen Arbeit denken lässt.
Klassische Vorbehalte gehen etwa in die Richtung, dass sich manche Filmschaffende in ihrer Kreativität und in ihrem filmischen Ausdruck eingeschränkt sehen. Bis hin zu dem Extrem, man sei ja auf eine ausführende Tätigkeit reduziert, die nur wenig mit Filmemachen im eigentlichen Sinne zu tun hat, sondern direkte Weisungsgebundenheit den Fernsehanstalten gegenüber bedingt. Kurz gefasst – der Sender wünscht, die FilmemacherInnen spielen. Auch etwa, dass die Arbeitsbedingungen durch die straffen zeitlichen Vorgaben besonders schwierig seien und letztlich „Gebrauchsware“ entsteht.
Wenn man denn überhaupt so weit kommt, einen Termin im Elfenbeinturm der Sendeanstalten zu bekommen.
Dazu möchte ich nach nun doch schon langjähriger Arbeit mit Sendeanstalten hier einige persönliche Erfahrungen einfließen lassen. Meine Ausführungen dazu werde ich in erster Linie auf die Tätigkeit im Rahmen der Regie, des Drehbuchschreibens und der Produktion fokussieren.
Grundsätzlich liegt ein Hauptunterschied zwischen der Arbeit im Kinobereich und der Arbeit für das Fernsehen darin, dass (lineares) Fernsehen ein klar definiertes Programmschema hat. Dieses ist in einzelne Sendeplätze unterteilt, auf denen wiederum deutlich wiedererkennbare Programme und Programmfarben gezeigt werden. Man denke etwa an den klassischen Dienstagabend, der um 20:15 auf ORF 2 mit der Dokumentationsreihe Universum bespielt wird. Oder etwa an den Tatort am Sonntagabend auf ARD oder ORF. Für TV-Sender ist ein derartiges konsequentes Programmschema schon aus Gründen der Publikumsbindung unerlässlich. Wenn man sich nun darauf einstellt, dass auf gewissen Sendeplätzen etwa ein Krimi positioniert ist, auf anderen ein Drama und wieder auf anderen bestimmten Sendeplätzen eine Komödie (dies gilt sowohl für Serien als auch für Einzelfilme), dann hat man im Rahmen der generellen genre-immanenten Vorgaben aus meiner Sicht durchaus die Möglichkeit, seiner Kreativität Ausdruck zu verleihen. Tatsächlich wird es von TV-Anstalten in der Regel geschätzt, wenn FilmemacherInnen durch einen unkonventionellen, frischen Zugang zu TV-Formaten versuchen, sich von der durchaus stark vorhandenen Konkurrenz abzuheben.
Wichtige Partner in dieser Arbeit sind die TV-Redaktionen, die im Namen der TV-Sender die einzelnen Projekte begleiten. Hier liegt der nächste große Unterschied zum Kinofilm. Während die kreative Arbeit bei der Entwicklung von Kinofilmprojekten weitestgehend in Eigenverantwortung des Teams von Drehbuch, Regie und Produktion vonstatten gehen kann, gibt es bei der Zusammenarbeit mit TV-Sendern zwingend eine verantwortliche Redaktion als Gegenüber, die die Interessen der TV-Sender vertritt. Dies ist oftmals Quelle von Zweifeln, ob die Zusammenarbeit mit TV-Sendern nicht im schlimmsten Fall in einem Diktat durch RedakteurInnen gipfeln würde. Aus der Praxis heraus konnte ich diese Erfahrung allerdings nicht machen. Ganz im Gegenteil – wenn man die Zusammenarbeit mit den TV-Redaktionen als Chance begreift und als Teamwork (das ja beim Filmemachen ohnehin an oberster Stelle stehen sollte) sieht, hat man die Möglichkeit, im Dialog die Stärken eines Filmstoffes auszubauen und die Schwächen zu reduzieren. In diesem Prozess entstehen oft neue Sichtweisen und Ideen, die bei unilateraler Entwicklungsarbeit eventuell nicht zutage getreten wären. Daher kann ich nur empfehlen, offen für diesen kreativen Prozess zu sein. Auch wenn diese Form der Arbeit am Ende möglicherweise doch nicht für jede/n ideal ist, ist es jedenfalls lehrreich, diese Erfahrung der Zusammenarbeit zu machen.
Eine weitere öfters artikulierte Ansicht ist die, dass die zu vergebenden TV-Projekte ohnehin unter den schon für das Fernsehen arbeitenden Filmschaffenden aufgeteilt werden und neue (mögliche) Talente schon deshalb keinen Zugang zu Fernsehprojekten bekommen. Auch hier zeigt die praktische Erfahrung ein anderes Bild. Es wird tatsächlich aktiv nach neuen Kreativen gesucht. Auch wenn sich Innovation im Rahmen der Sendeplatzformatierung oftmals subtiler zeigt als im Kinobereich, ist der Wunsch groß, frischen Wind in etablierte Formate zu bringen. Oft schon habe ich als Produzent gemeinsam mit TV-Redaktionen überlegt, wie man neue AutorInnen und RegisseurInnen an TV-Projekte heranführen kann. Und das ist auch schon wiederholt mit großem Erfolg gelungen. Selbstverständlich gilt das nicht nur für Drehbuch und Regie. Auch in allen anderen Departments gibt es eine Offenheit gegenüber jungen FilmemacherInnen. Nicht zuletzt, weil es viele erstklassig ausgebildete, hoch motivierte junge Leute gibt, die eben einfach die Chance brauchen, ihr Können unter Beweis zu stellen. Relativierend muss man einwenden, dass das Zustandekommen von einzelnen TV-Projekten einen hohen finanziellen Einsatz des Fernsehsenders bedingt. Im Lichte dessen fordern TV-Redaktionen (wohl zu Recht) eine gewisse Sicherheit ein, dass sich dieser Mitteleinsatz auch in entsprechender Qualität niederschlägt. So wird gerne das Argument gebracht, dass erfahrene Filmschaffende diese Qualität bereits unter Beweis gestellt haben, während Neuzugänge diesen Beweis noch nicht erbracht haben. Hier kommt es auf die personelle Mischung in einem Projekt an, in dem idealerweise routiniertere KollegInnen mit unerfahreneren Filmschaffenden gemeinsam arbeiten.
Generell ist zu sagen, dass aufgrund des aktuell sehr hohen Produktionsaufkommens von linearen Sendeanstalten und Streamern die Nachfrage an Filmschaffenden ausgesprochen groß ist. Die Chance, in diesem Bereich Fuß zu fassen, ist daher mehr als nur gegeben.
Ein weiterer, nicht außer Acht zu lassender Faktor ist die Planungssicherheit, die mit der Arbeit für das Fernsehen einhergeht. Kinofilmprojekte sind in sehr hohem Ausmaß förderabhängig und der Konkurrenzdruck um die Fördertöpfe ist sehr hoch. Dies resultiert in oftmals langen Entwicklungszeiten und vielen Verschiebungen von Projekten, weil die Finanzierung und damit die Realisierung nicht im geplanten Zeitrahmen sichergestellt werden kann.
Bei TV-Produktionen ist das anders, da die Entscheidungsprozesse innerhalb der Sendeanstalten direkter sind. Filmschaffende können sich also in aller Regel darauf verlassen, dass ein von einem TV-Senderpartner zugesagtes Filmprojekt auch tatsächlich realisiert wird. Dieser Umstand ist vor allem dann wesentlich, wenn man das Filmemachen als regelmäßige Erwerbstätigkeit begreift. Ich versuche auch stark kinoorientierten FilmemacherInnen mitzugeben, dass es wichtig ist, parallel für das Fernsehen zu arbeiten. Denn – salopp formuliert – während man auf die Finanzierung eines Kinoprojektes wartet, kann man bei der Zusammenarbeit mit dem Fernsehen wichtige praktische Erfahrungen sammeln und im Idealfall auch auf ein großartiges TV-Projekt zurückblicken – und die Miete bezahlen.