Basis für den folgenden Text war Biancas Input beim Cinema Next Breakfast Club auf der Diagonale’23 zum Thema „(Alb-)Traum Debütfilm“.
Bianca studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien und der Freien Universität Berlin. Danach absolvierte sie das Produktionsstudium an der DFFB – Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin. Auf der Diagonale’23 lief ihr Abschlussfilm und Langfilmdebüt 27 STOREYS – gleichzeitig auch ihr Debüt als Regisseurin und Autorin.
Der Text ist einer von zwei Beiträgen zum Thema “(Alb-)Traum Debütfilm”.
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Mein Kinodokumentarfilm 27 STOREYS hatte in vielerlei Hinsicht optimale Voraussetzungen, mir als Regie-Debütantin alle Möglichkeiten der künstlerischen Entfaltung zu bieten. Ich stand mitten in meinem Filmproduktionsstudium an der DFFB – Filmhochschule Berlin und hatte durch eine enge Beziehung mit der Produktionsfirma Egoli Tossell Pictures adhoc sehr starke und erfahrene Partner*innen an meiner Seite, die mich und das Projekt unterstützen. Durch die Möglichkeit, mit dem Film mein Studium an der Filmhochschule abzuschließen, war nicht nur der erste Finanzierungsbaustein gesetzt, sondern auch eine zusätzliche inhaltliche Betreuung durch meinen Dozenten Andres Veiel gegeben. Ich konnte die Chance nutzen, meine Idee im Zuge des Pitch Award auf dem DokFest München vorzustellen und lernte dort Ralph Wieser von Mischief Films kennen, der sich einerseits für den persönlichen Autor*innen-Blick begeisterte, aber auch den Wohnpark Alterlaa, den berühmtesten sozialen Wohnbau Wiens, den mein Film im Kern porträtiert, als gut-verkäufliche „IP“ erkannte. Eine deutsch-österreichische Koproduktion mit erfahrenen Partner*innen war geboren.
Um den Schritt in die Finanzierung jedoch gehen zu können, musste aus einer verkaufbaren Idee, die auf eine lebendige Art vorgetragen werden konnte, jedoch ein am Ende 50-seitiges Dokument werden. Und diesen vermeintlichen „Zwischen“schritt würde ich heute als kniffligste und auch wichtigste Schnittstelle beschreiben: die Entwicklung meines Films, die passieren musste, um überhaupt Geld für das Projekt bekommen zu können. Ich fiel hier durch jedes Raster, unter anderem, weil ich noch Studentin einer Hochschule war, und hatte keine Chance, meine Miete zu zahlen und parallel das Projekt zu entwickeln. Denn wer schon einmal inhaltlich gearbeitet hat, weiß: Ein Drehbuch schreibt man nicht nebenbei. Es ist ein Vollzeit-Job. Ich musste also auf ein anderes System zurückfallen, das mir nun, in meinem fünften Jahr der Selbstständigkeit, nicht mehr möglich wäre: Ich kündigte meinen Job, in dem ich damals neben der Uni festangestellt war, und bezog Arbeitslosengeld. Ich hatte also die Chance, drei Monate „mit meinem Projekt“ zu verbringen – und diese Chance habe ich mit voller Kraft genutzt. Am Ende hatte ich ein Dokument (Treatment) erstellt, hinter dem ich künstlerisch und inhaltlich stehen konnte. Mein Papier konnte also von den Produktionsfirmen übernommen werden, in die Finanzierung gehen und ich konnte in der Zwischenzeit wieder arbeiten gehen – und meine Miete zahlen.
Dass ich dieses Dokument vollständig unabhängig erstellen konnte, empfinde ich rückblickend als einen der wichtigsten Momente in der Entstehung meines Projekts. 27 STOREYS wurde in Österreich schließlich breit gefördert und auf deutscher Seite kam die ZDF-Redaktion von Das kleine Fernsehspiel mit an Bord. Ebenfalls eine Partner*innenschaft, die ich als großen Segen empfand, da das erklärte redaktionelle Ziel, Debütantinnen in der Umsetzung ihrer eigenen Idee zu fördern und nicht in eine passende Form zwängen zu wollen, von meiner Redakteurin Lucia Haslauer immer groß geschrieben wurde. Ich konnte also auch „meine Redaktion“ angstfrei auf die Kurzwahltaste befördern und damit jederzeit um Wegweisung in diesem herausfordernden, jahrelangen Prozess bitten.
Die Produktion selbst war schließlich von gewohnten und ungewohnten Herausforderungen durchzogen: Aus einem geplanten Drehzeitraum von einem Jahr wurden durch die Pandemie schließlich drei Jahre. Die Drehtage verdoppelten sich, da dem ursprünglichen Konzept, das sich stark auf die sozialen Räume des Ortes spezialisierte, plötzlich ebendiese sozialen Räume wegbrachen. Finanzielle „Corona-Schutzschirme“ und „Finanzspritzen“ sollten das Projekt und mich bis zum Ende über Wasser halten – wobei uns ebenjenes Wasser durchgehend bis zu Hals stehen sollte. Das Anforderungsprofil meines Jobs verdreifachte sich, da der Ort, den ich immer als lebendigen erlebte, oft aus eigener Kraft zum Leben erweckt werden musste. Durch die vorangegangene Entwicklungsphase jedoch hatte ich ein gutes Verhältnis zu den Menschen aufgebaut. Ich hatte Handynummern, Mailadressen, WhatsApp-Kontakte und ausschließlich dadurch auch die Chance, auf diese spezielle Herausforderung zu reagieren und das geplante Konzept zu retten und meinen Film zu drehen.
Es sollten schließlich 120 Stunden gedrehtes Material sein, mit denen wir in die Postproduktion starteten, um am Ende bei 82 Minuten Film herauszukommen. Die Postproduktion selbst sollte der vermutlich größte Realitätscheck für mich als Debütantin werden. So sollten es meine Produktionsfirmen Egoli Tossell Pictures (Deutschland) und Mischief Films (Österreich) sein, die durch einen außergewöhnlichen Kraftakt und die Bereitschaft eines finanziellen Risikos 25 Wochen Bildschnitt ermöglichten – rund sieben Wochen mehr als vermutet und rund 13 (!) Wochen mehr, als das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland für den Bildschnitt eines Debüt-Kinodokumentarfilms vorsieht.
27 STOREYS hatte von Anfang an die Chance, mein Film zu werden, weil mir die Zeit zur Verfügung stand, die es brauchte, um diesen Film zu entwickeln. Und Zeit lässt sich ganz pragmatisch in finanzielle Mittel übersetzen. Autor*innen brauchen die Möglichkeiten, ihr eigenes Projekt unabhängig zu entwickeln. Je fortgeschrittener meine Idee ist, bevor, pauschal gesagt, Verträge unterschrieben werden, desto besser ist es für alle Beteiligten. Wieviel Zeit das braucht, ist bei jedem Projekt unterschiedlich. Bei 27 STOREYS waren es eben drei Monate, bei einem anderen wären es mehr oder weniger. Und diese Möglichkeiten, um als Autor*innen unabhängig entwickeln zu können, müssen breiter zur Verfügung gestellt werden. In dieser Zeit kann (und soll) man beginnen, mit Partner*innen zu sprechen und die bestmöglichen Allianzen zu bilden, die es braucht, um diesen irren und langen Weg, den ein Kinofilm für alle Beteiligten bedeutet, zu gehen. Denn: Die Idee muss nicht nur das Zugpferd sein, sie muss es auch, durch alle Widerstände hindurch, bleiben.