Barbara Fränzen ist seit 2008 Leiterin der Filmabteilung des Bundeskanzleramtes Österreich (vormals Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur).
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Seit langem schon soll ich für Cinema Next eine „Sichtweise“ zur Förderung junger FilmemacherInnen durch die Filmabteilung des BKA schreiben. Immer wieder setze ich an und umkreise das Thema, das mich ohnehin täglich beschäftigt. Immer wieder neue Gedanken und viele Anfänge. Alle Überlegungen, die begonnenen und verworfenen Konzepte tauchen in geballter Form wieder auf und vermischen sich zu einem pulsierenden Labor mit vielen Möglichkeiten …
Wie auch immer: vorerst einmal eine punktuelle und fragmentarische Annäherung, insbesondere zu den Erfahrungen, die ich nach nunmehr mehreren Jahren der Startstipendien sammeln konnte.
Die Startstipendien unterstützen FilmemacherInnen,
die in einer beruflichen Entwicklung schon etwas weiter sind
Die Startstipendien des bmukk/BKA wurden erstmals 2009 für alle Sparten in der Kunstsektion, von Musik bis Film, ausgeschrieben. Seither gibt es jedes Jahr großes Interesse und viele Bewerbungen. Im Filmbereich werden pro Jahr jeweils fünf StipendiatInnen ausgewählt. Bei der Auswahl, die durch eine Jury erfolgt, haben wir uns dafür entschieden, den „Start“ nicht wörtlich zu nehmen, sondern vielmehr jene FilmemacherInnen zu unterstützen, die in ihrer beruflichen Entwicklung schon etwas weiter sind – gerade nach dem ersten erfolgreichen Film wird’s bekanntlich wieder schwieriger. Zugleich soll auch nicht primär das Projekt im Vordergrund stehen bzw. für die Auswahl zum Stipendium alleine maßgeblich sein, sondern es werden Personen ausgewählt, denen das Begleitprogramm des Stipendiums in ihrer künstlerischen Entwicklung weiterhelfen kann.
Schon vor Einführung der Stipendien gab es bei der Filmabteilung regelmäßig viele Einreichungen junger FilmemacherInnen. Oftmals war die Entscheidung über die richtige Unterstützung schwierig, weil manche Projekte zwar Potential zu haben schienen, aber zugleich vieles fehlte. Eine finanzielle Förderung alleine erschien in solchen Fällen nicht sinnvoll und die Beistellung einer dramaturgischen Beratung ebenso kein Allheilmittel.
So entschlossen wir uns, bei den Startstipendien regelmäßige, möglichst auf die konkreten Bedürfnisse der StipendiatInnen abgestimmte Workshops zu veranstalten. Dies hat sich auch bewährt. Natürlich ist zweifellos die finanzielle Zuwendung von insgesamt € 6.600,– der primäre Anreiz, sich für das Stipendium zu bewerben. Dies ist ja auch der Sinn eines Stipendiums: ein bisschen Luft und die Finanzierung der Miete. Trotzdem stellten die AbsolventInnen in ihren Feedbacks die ausführlichen Gespräche mit ExpertInnen zum eigenen Projekt als besonders wichtig und gewinnbringend dar.
Und innerhalb der Gruppe hat sich oft ein interessanter Austausch mit gegenseitiger Unterstützung ergeben.
Was kann man jungen FilmemacherInnen überhaupt vermitteln?
Unser zentrales Angebot: Zeit.
Die Ausbildung ist abgeschlossen, erste Erfahrungen sind gesammelt, offen ist, wie es weitergeht. Bei den Stipendien konzentrieren wir uns auf folgende Schwerpunkte: Zeit und Raum zu schaffen (so weit als möglich), konkrete professionelle Unterstützung und möglichst viele Gespräche zum eigenen Projekt zu bieten und schließlich Input in verschiedener Form zu geben, der zu neuen Wegen und anderen, innovativen Möglichkeiten führen kann.
Bei dem Bestreben, Hilfestellung zu bieten, ist trotzdem eine Balance zwischen notwendigem Freiraum und professioneller Begleitung zu finden, eine Dauerberieselung mit wertvollen Ratschlägen ist wohl nicht sinnvoll. Vielmehr ist für mich nach wie vor das Luxusgut Zeit das zentrale Angebot: Zeit, die man sich kaum mehr leistet – Raum für die Bewegung der Gedanken, für ein Nachdenken ohne Erfolgsdruck und drohende Deadlines.
Dieser Wunsch nach Zeit ist natürlich keine Frage des Alters, sondern gilt für alle Kreativen im Rahmen künstlerischer Prozesse. Allerdings sind die Jahre der Ausbildung, die früher noch ein gewisses produktives oder unproduktives Nichtstun zuließen, nun zunehmend einem Leistungsdruck und der Konzentration auf konkrete Ziele und dauerndem Wettbewerb verschrieben. So bleibt nicht einmal mehr in dieser frühen Phase ein Spielraum, um zu experimentieren. Experimente ohne klares Ziel erscheinen auch fast schon als Tabu. Wir müssen regelmäßig dazu motivieren und betonen, dass die Stipendien gerade diese Möglichkeit bieten wollen.
Fragen entstehen auch zu ganz praktischen Dingen: Wie wende ich mich an eine Produktionsfirma, wie weit entwickelt muss mein Projekt schon sein, wie präsentiere ich es, ab wann kann ich nachfragen, ob es schon gelesen wurde?… Oder: Wie läuft ein Drehtag ab, wie plane ich die Finanzierung? Und nicht zuletzt: Wie muss ein Förderantrag aussehen, verfolge ich die BeirätInnen mit Anrufen, um sie positiv zu stimmen oder ist das eher kontraproduktiv (Antwort übrigens: ja)?
Konstruktive Kritik – und wie man damit umgeht
Ein zentrales Thema, besonders für FilmemacherInnen mit noch wenig Erfahrung, ist für mich das Feedback und konstruktive Kritik – und wie man damit umgeht.
Es ist immer unangenehm, eine negative Förderentscheidung mitzuteilen, noch unangenehmer ist es zweifellos, sie zu empfangen. Um nicht jemanden am Telefon damit zu überfallen oder mit einer schriftlichen Nachricht alleine zu lassen, bieten wir allen, die mehr erfahren wollen, persönliche Gespräche an. Auch über die Chancen eines weiteren Versuchs. Oft wird damit klar, dass vieles in der Einreichung nicht so angekommen ist wie gedacht, manches als selbstverständlich vergessen wurde, wichtige Informationen (wie z.B. der persönliche Zugang zu einem Thema, warum Interesse gerade dafür, welche eigenen Erfahrungen damit) fehlen.
Dies ist ein Lernprozess. Allerdings bedeutet das nicht, dass Projekte so umgestaltet werden sollen, wie es nach eigener Einschätzung dann bei KritikerInnen und FördergeberInnen besser ankommt. Vielmehr ist es in manchen Fällen als RegisseurIn auch wichtig, zu den künstlerischen Entscheidungen zu stehen und zu erklären, warum bestimmte gestalterische bzw. dramaturgische Lösungen so und nicht anders gewählt wurden, also Überzeugungsarbeit zu leisten.
Was fehlt? Ein Experimentierfeld.
Schon oft wurde festgestellt, dass die Kluft zwischen einer Förderung/Unterstützung durch das BKA und einem Langfilm (Werkstattprojekt) beim ÖFI sehr groß ist. An einer Verringerung dieses Grabens wird von beiden Seiten gearbeitet. Hierfür könnten auch der Laborgedanke, das Experimentierfeld wohl noch weiter ausgebaut werden. Auf einer ersten Stufe sollte möglichst vielen eine Chance gegeben werden, danach ist aber eine klare Auswahl zu treffen. Schon jetzt entsteht zu viel Mittelmäßiges, unter anderem ist dies auch eine Folge der digitalen Produktionsmöglichkeiten. Wichtig erscheint daher, den riskanteren, experimentierfreudigen Projekten Raum zu geben.
Eine Frage, die sich im Laufe des Lebens wohl immer wieder von Neuem stellt, richtet sich darauf, warum man eine bestimmte Ausbildung macht und sich für die Kunst entscheidet. Wahrscheinlich stellt sie sich immer dann, wenn’s gerade nicht so gut läuft und Zweifel auftreten, oder wenn alle anderen erfolgreich sind und die eigenen Filme wieder einmal nicht gefördert oder bei Festivals abgelehnt wurden. Da wird auch spürbar werden, wie groß die eigene Ausdauer und Leidenschaft tatsächlich sind, ohne die man die Niederungen schwer überstehen wird. Umgekehrt kann auch Erfolg nicht der einzige Maßstab sein.
Vielleicht kann das Startstipendium auch dabei behilflich sein: herauszufinden, warum man eigentlich Kunst macht, was der innere Antrieb ist und um was es einem selbst tatsächlich geht. Wenn wir dazu einen Beitrag leisten können, ist schon ein kleiner Schritt gelungen.