Florian Pochlatko| BKA Startstipendiat 2015
Porträts

Florian Pochlatko| BKA Startstipendiat 2015

November 2015

 „Irgendwie sind wir doch alle Autodidakten.“

Florian Pochlatko (Jg. 1986) aus Graz studiert Regie an der Filmakademie Wien. Er ist einer der fünf StartstipendiatInnen 2015 der Filmabteilung der BKA-Kunstsektion, die wir im November 2015 als unsere Talents to Watch vorstellen.

Bei Florian Pochlatko kann man sich leicht vorstellen, dass er gleichzeitig ein Interview gibt, in Gedanken bei seiner nächsten Konzepteinreichung ist und mit einer freien Hand sein aktuelles Drehbuch weiterschreibt. Florian scheinen die Energien nie auszugehen und als er auch noch einen Espresso bestellt, mache ich mir Sorgen, dass unser Gespräch ihn nicht lange auf dem Sessel halten wird. Florian Pochlatko ist 29 Jahre und macht, wie er erzählt, seit 15 Jahren Filme und „Artverwandtes“.

„Es war schlicht die Unfähigkeit, in einem klassischen Schulsystem zu überleben, deshalb hat sich meine Ausbildung schon früh in eine kreative Richtung entwickelt“, erzählt er.

Schulnotiz

Seine ersten Filme sind zwar noch sehr kurz, meist um die zehn Minuten, doch schon darin sind eine gewisse Stilsicherheit, nicht wenig Humor und ein Verständnis für filmisches Erzählen abzulesen. Running Sushi (2006, 15 min) etwa ist eine tiefschwarze Satire über die Verhandlung von Jugendkultur in den Medien. Der Experimentalfilm Freiheit für Rosalie (2009, 4:30  min) präsentiert das Liebestreiben von zwei Plastikschweinchen und Florian hat sich stolz in den Lebenslauf geschrieben, dass er damit den Hauptpreis für „Trash“ an der Filmakademie gewonnen hat.

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Freiheit für Rosalie: das Liebestreiben von zwei Plastikschweinchen.

Die Filmakademie in Wien, wo Florian Pochlatko Regie studiert, war schließlich auch der Ort, an dem das freie Lernen und entspannte Kreativsein erstmals in strengere Bahnen gelenkt wurde. „Die ersten eineinhalb Jahre waren ein richtiges Bootcamp: gefühlte 70 Wochenstunden und keine Wochenenden“, erinnert er sich und kann gleichzeitig Positives daran finden: „Klar war es für mich mit vielen Reibereien verbunden, dass ich mich dort in ein vorgefertigtes System einfinden musste. Aber an diesen Reibungspunkten kann man sich ja auch abarbeiten. Und gerade das kann unter bestimmten Umständen gut für die persönliche Weiterentwicklung sein.“

Zur Hälfte studieren, zur Hälfte freischaffend arbeiten

Derzeit befindet sich Florian Pochlatko nicht nur im Masterstudium auf der Filmakademie, sondern auch in einem Masterlehrgang an der Akademie der Bildenden Künste. Hier beschäftigen ihn die Critical Studies, fächerübergreifende Kunst- und Kulturwissenschaft. In ein bis zwei Jahren möchte er mit beidem fertig sein. „Bevor meine Studienzeit nun bald zu Ende geht, wollte ich noch mal aus dem Vollen schöpfen und unimäßig wirklich alles gemacht haben, was mich interessiert.“ Den theoretischen Teil auf der Bildenden sieht Florian als perfekte Ergänzung zu seinen praktischen Arbeiten auf der Filmakademie.

Das Doppelstudium ist für ihn keinesfalls eine Doppelbelastung. Zumal die Universitäten ohnehin nicht seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen: „Ich versuche, nur die Hälfte zu studieren und die andere Hälfte freischaffend zu arbeiten.“ So hat Florian Musikvideos gestaltet (bspw. Heat the Water für koenigleopold und Behave (from now on) für Fijuka) und Drehkonzepte für das Medienkulturzentrum Wels, die ars electronica in Linz oder das Sankt Anna Kinderspital umgesetzt.

Wichtig ist ihm, dass er auch bei diesen „Geldjobs“ etwas dazulernen kann und diese als Herausforderung sieht. Überhaupt scheint Wissbegierde eine wesentliche Antriebsfeder von Florian zu sein. Wissen und Erfahrung erlange man nicht automatisch durch den Besuch einer Universität, ist er überzeugt, das sei viel eher ein Prozess, den man selbst immer wieder von Neuem vorantreiben muss: „Irgendwie sind wir doch alle Autodidakten bis zu einem gewissen Grad.“

Lernerfahrungen finden natürlich auch bei jedem Filmdreh statt. „Für mich ist es dabei wichtig, den kreativen Prozess so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Das heißt in der Konzeptphase, in der Drehphase und in der Schnittphase muss es jeweils noch möglich sein, dass es zu Entwicklungen und Richtungsänderungen kommt“, meint Florian.

Erbeerland

Sein bekanntester Film Erdbeerland (2012, 32 min, Still oben) – der auf zahlreichen Festivals lief und mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde (u.a. Bester Kurzfilm Diagonale 2013 und Österreichischer Filmpreis 2014) – ist daher in einer sehr offenen Arbeitsform entstanden: „Es interessiert mich weniger, meine eigene Stimme überdeckend über alles und alle anderen zu legen. Viel spannender finde ich, die Einflüsse von außen, vom Team und vom Ensemble, und vielleicht auch den Zufall, miteinzubeziehen.“

Erdbeerland ist ein 30minütiger Spielfilm über den nicht immer einfachen Weg der Selbstfindung für eine Gruppe Jugendlicher, vom Druck in der Schule und unter Freunden, vom ersten Rausch und vom ersten Verliebtsein. Florian hat dafür großteils mit Laien gearbeitet, die noch nie bei einem Filmprojekt mitgemacht haben. Nur so konnte er sich ihrer natürlichen Ausdrucksweise sicher sein. Und es machte ein gemeinsames Herantasten, Suchen und Ausprobieren möglich – denn auch Florian und sein Team sind ja noch keine „alten Hasen“, was die professionelle Spielfilmproduktion betrifft.

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Sein Batmankostüm, das Florian 2009 noch beim film:riss-Festival trug (rechts), gab er für die Dreharbeiten zu Erdbeerland an seinen Darsteller Nisti weiter.

„Beim Dreh war mir wichtig, dass alle immer auf demselben Wissenstand sind wie ich. Lange habe ich auch gar nicht gewusst, wie der Film schlussendlich sein wird. Während der Arbeit haben sich dann langsam die Kernthemen herausgebildet. Nicht zuletzt dank der Jugendlichen und des Teams, die schon mit mir diskutiert haben, wenn sie eine Idee nicht so gut fanden, wenn sie etwas unnatürlich fanden und, im Fall der Jugendlichen, sich selbst anders verhalten würden.“ Gestresst haben Florian diese Diskussionen während der zeitlich ohnehin eingeschränkten Dreharbeiten (die Jugendlichen hatten immer nur an den Wochenenden Zeit) aber nicht.

Möglich wurde dieses Arbeitsweise nicht zuletzt durch ein kleines, aber sehr in den Prozess eingebundenes Kernteam: der Regieassistent hat auch Ton gemacht, das Kamera-Department, das meist aus nur zwei Leuten bestanden hat, war außerdem für das gesamte Licht zuständig. Ein halbes Jahr hat der Dreh schließlich gedauert.

“… und ich armes Schwein muss das jetzt umsetzen”

Florian scheint seinen Stil mit Erdbeerland gefunden zu haben und möchte auch in Zukunft das Drehbuch lediglich als Diskussionsgrundlage verstanden wissen. „Obwohl ich sehr gerne den Autor spiele. Also ich schreibe sehr gerne und gerade beim Drehbuchschreiben ist es gut, alles einmal vor sich auszubreiten, alle möglichen Ideen auf Papier zu bringen, um herauszufinden, in welche Richtung man gehen möchte. Und erst, wenn ich fertig bin, fällt mir wieder ein, dass ja ich das arme Schwein bin, das das jetzt umsetzen muss.“

Florian Pochlatkos aktuelles Projekt trägt den Arbeitstitel Tales from the Land before our Time und möchte „in fragmentarisch-assoziativer Anordnung den wichtigen Stationen im Leben eines Menschen folgen“, wie er meint. „Alle Gespenster aller Epochen gleichzeitig  in einem Raum“, hat der junge Filmemacher – frei Isabel Allendes Das Geisterhaus zitierend – dazu aufgeschrieben. Man kann sich vorstellen, dass dieser Satz auch irgendwie gut zu Florian Pochlatko passt.

von Dominique Gromes, November 2015
(Portraitbild oben von Natascha Unkart)

Florian auf der Ö1-Talentebörse
Erdbeerland bei sixpackfilm