Sebastian Brameshuber studierte Bühnen- und Filmgestaltung an der Universität für angewandte Kunst in Wien und zeitgenössischen Film am Le Fresnoy – Studio National des Arts Contemporains in Frankreich. Seine ersten beiden Langdokumentarfilme Muezzin (2009) und Und in der Mitte, da sind wir (2014) sowie seine Kurzfilme (u.a. Of Stains, Scrap and Tires, 2014) liefen/laufen auf zahlreichen internationalen Filmfestivals (u.a. Berlinale, Viennale, FID Marseille).
Der folgende Text wurde am 16. März 2018 als 5-Minuten-Input im Rahmen des Cinema Next Breakfast Clubs der Diagonale’18 zum Thema “Filmpolitik mitgestalten” vorgetragen.
>>
Ich bin seit einigen Jahren Mitglied von dok.at und Regieverband. Ich war nie ein Freund von Vereins- bzw. Verbandsmeierei und habe immer versucht, mich davon fernzuhalten. Die Mitgliedschaften in beiden Verbänden bzw. die Mitgliedsbeiträge habe ich als eine Art Schutzgeld gesehen, als Geldbeträge, mit denen ich mich von Verpflichtungen freikaufen kann und in weiterer Folge meine Ruhe habe.
Nun bin ich seit knapp einem Jahr in den Vorständen von beiden Verbänden. In aller Kürze und überspitzt formuliert könnte man sagen, es brauchte — jedenfalls in meinem Fall — ein gewisses Maß an Empörung und vielleicht auch Leidensdruck, um mich mit schwerfälliger Bürokratie zu beschäftigen, wo ich doch eigentlich gerne leichtfüßig durchs Leben gehen würde.
Ich möchte im Folgenden einen kurzen Abriss geben, wie ich das vergangene Jahr Verbandsarbeit im Vorstand des Regieverbands (die hochoffizielle Bezeichnung lautet: Verband Filmregie Österreich) erlebt habe und warum ich denke, dass es wichtig ist, dass eine jüngere Generation von Filmschaffenden vermehrt Plätze einnimmt, die es ihr ermöglichen, einerseits eine Vision der Zukunft der Filmbranche und -förderung überhaupt zu entwickeln und in weiterer Folge dranzugehen, diese umzusetzen. Bedarf gibt es genug.
Während es bei dok.at verhältnismäßig ruhig zuging, war die Arbeit im Regieverband von Anfang an sehr intensiv. Ein erstes übermotiviertes (und deshalb unveröffentlichtes) Mission Statement, der erste Newsletter, Planen und Durchführen von Diskussionsveranstaltungen, Cocktails oder Festen bei Filmfestivals, Treffen mit diversen Entscheidungsträgern, mit Ministern oder ihren Filmbeauftragten, mit Vertretern anderer Berufsverbände, schließlich die Erarbeitung eines Positionspapiers, die Organisation einer Pressekonferenz usw.
Jede unserer Entscheidungen und Initiativen erfolgte unter Einbeziehung aller sechs Vorstandsmitglieder. Erstmals brauchte ich meine 2000 Telefonie-Freiminuten auf, auch die Anzahl an Emails stieg exponentiell.
Weil auch innerhalb des Vorstands zu manchen Themen nicht immer Einigkeit herrschte, tauchte oft die Frage auf: Wie autonom kann der Vorstand im Namen des Verbands handeln? Welches Mandat haben uns die Mitglieder mit der Wahl in den Vorstand erteilt? Die Entscheidung beispielsweise, ob man einen offenen Brief der Branche mit einem filmpolitischen Anliegen mit “Verband Filmregie Österreich”, “Vorstand des Verbands Filmregie Österreich” oder nur mit den einzelnen Namen jener Vorstandsmitglieder unterzeichnet, die das Anliegen dieses offenen Briefs unterstützen, zieht mitunter stundenlange Telefonate während mehrerer Tage nach sich.
Anfangs nervt das sehr. Eigentlich nervt es immer noch. Doch irgendwann akzeptiert man die Trägheit des Verbandswesens und des österreichischen Filmförderbetriebs als unvermeidliche Begleiterscheinung kakanisch-demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse. Vielleicht handelt es sich sogar um eine positive Begleiterscheinung. Mit Blick auf die aktuelle politische Situation in Österreich erscheint mir die Schwerfälligkeit eines Systems und dass sich gewisse Strukturen nicht von einem Tag auf den anderen ändern lassen, als durchaus vorteilhaft.
Rückblickend kann ich sagen, dass wir etwas übermotiviert gestartet sind. Vermutlich, weil wir das Gefühl hatten, uns ein Stück weit beweisen zu müssen. Gleich bei einer unserer ersten Vorstandssitzungen ließ man uns ausrichten, dass wir zu jung und unerfahren seien, die Geschicke des altehrwürdigen Regieverbands in die Hand zu nehmen, den nun niemand mehr ernst nehmen würde. Dazu kann ich nur sagen: Erfahrung kommt mit der Zeit, während das Jungsein mit ihr vergeht.
Ich denke, es lag aber auch daran, dass vier von sechs Vorstandsmitglieder junge Filmemacherinnen und Filmemacher sind, die von negativen Förderentscheidungen und epischen Stehzeiten während der Projektfinanzierung gefrustet und dementsprechend motiviert waren, tatsächlichen und/oder gefühlten Ungerechtigkeiten etwas entgegenzusetzen. Und sei es nur in Form des Gefühls, den kafkaesken Auswüchsen des Förderwesens nicht nur ausgeliefert zu sein, sondern die Rahmenbedingungen mitgestalten zu können.
Man beginnt, genauer hinzuschauen, sich mit Förderpolitik und Förderstrukturen auseinanderzusetzen, wundert sich, wer warum und wie lange in welchen Gremien sitzt (und darüber, wie viele Gremien es gibt), man beginnt Gesetze, Statuten und Richtlinien zu lesen, sich mit der Entstehungsgeschichte der Filmförderung auseinanderzusetzen. Kurz: Man arbeitet sich in die Untiefen eines Systems vor, welches man — als relativ junger Filmschaffender — als gegeben vorgefunden hat, weil sich zwei Generationen früher einige sehr motivierte Personen für eine Filmförderung eingesetzt und diese politisch durchgesetzt haben.
Man könnte nun von einem gemachten Bett sprechen. Oder auch von einem Bett, in dem die Kopfpolster und Bettdecken bereits mit Initialen bestickt und reserviert sind, in dem sich manche recht unverschämt ausbreiten. Ein Bett, dessen Lattenrost sich unter deren und dem Gewicht der zahlreichen Filmemacherinnen und Filmemacher, die ebenfalls versuchen, darin Platz zu finden, gefährlich durchbiegt. Die Frage, ob man sich ebenfalls in dieses Bett legen will — und vor allem mit wem —, haben sich wohl alle von uns schon zumindest einmal gestellt.
Nach beinahe einem Jahr fühle ich mich halbwegs eingearbeitet, allerdings auch schon etwas müde, weil erstens auch die Filme gemacht werden wollen, derentwegen wir diesen ganzen Zirkus veranstalten, und zweitens zwischen der Formulierung der Positionen und Forderungen und deren Umsetzung Welten liegen. Um tatsächlich etwas zu verändern, braucht es eine intensive, langfristige und solidarische Zusammenarbeit. In puncto Mitgestaltung durch jüngere Vertreter/innen der Branche halte ich ein wenig Anmaßung für durchaus konstruktiv, sowie die Bereitschaft, ab und zu in Fettnäpfchen zu treten. Besser, als auf der Stelle zu treten.
Vielen Dank fürs Zuhören!