Markus Keuschnigg gründete und leitet seit 2010 das /slash Filmfestival in Wien. Für Aktivitäten, Anliegen und ein Netzwerk abseits des Festivals wurde 2013 das Institut Schamlos ins Leben gerufen.
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Sitze ich unlängst mit einem Bekannten in einem Café, sagt er mir, dass er seinen neuen Kurzfilm nur via Regionalförderung und privates Geld, sein eigenes und das von der Mutter, finanziert hat. Bei den Bundesförderstellen habe er es gar nicht versucht, denn nach allem, was er wisse und was ihm erzählt worden sei, würden die “so was”, also Genrekino, kaum bis gar nicht fördern. Allerdings weniger, und das ist jetzt meine eigene Einschätzung, aus Arroganz, sondern Ignoranz.
Der Fantastische Film bedeutet vielen, die in den Gremien, Jurys, Kommissionen und Beiräten pflichtbewusst ihren Dienst verrichten, ganz einfach: nichts. Wer noch nie einen Horrorfilm gesehen hat, weil man sich nicht fürchten will und kein Blut sehen kann, soll dann über die mögliche Herstellung eines eingereichten Drehbuchs entscheiden? Und das ist fast noch der beste Fall. Fatal wird’s, wenn die eigene moralische Überzeugung in den Ring gehievt und der (so wahrgenommenen) Unterhaltung jedweder Kunstanspruch abgesprochen wird.
Dabei gilt die leidige Dichotomie in U- und E-Kultur, die hinsichtlich der Beurteilung der Förderwürdigkeit eines Filmprojekts immer noch entscheidungsrelevant ist, vielen aus den jungen Generationen nichts mehr. Denn wir leben mittlerweile längst in einer ausdifferenzierten Filmwelt, in der die Deutungshoheit und Hegemonie-Begehren von Studio- wie Fördersystemen bröckeln und wo der Fantastische Film ganz selbstverständlich Autorenkino-Anspruch mit saftigen Genre-Tropen vermählt.
Ein österreichischer Film wie Ich seh Ich seh (AT 2014, Veronika Franz & Severin Fiala) hat vorgemacht, wie’s geht: Im heimischen Kino eher wenig erfolgreich, entwickelte er sich in den USA zum Überraschungserfolg und legte den Filmemachern zudem eine Brücke nach Hollywood.
Die heimische Filmlandschaft hat den Anschlusszug verpasst. Soll heißen, aus einem Trophäenschrank, auf den man zurecht auch stolz sein kann, entsteht noch keine lebendige, vielgestaltige Filmkultur, sondern lediglich die Illusion, dass Wertschätzung durch Festival-Jurys das non plus ultra künstlerischen Selbstwerts darstellt. Auch Dominik Hartl hat für seine Zom-Com Attack of the Lederhosenzombies, der das heurige /slash Filmfestival eröffnen wird, bereits Preise abgeräumt, etwa für die Spezialeffekte, eine in Österreich notorisch unterschätzte künstlerische Disziplin.
Der steirische Jung-Regisseur schließt seine tiefer gelegte Horrorkomödie überhaupt eher an internationale Gebrauchsformen des Fantastischen Films an und referenziert darin maßgebliche Arbeiten von Meister-Regisseuren wie Stuart Gordon und John Carpenter. Sein Talent hat der Filmakademie-Absolvent Hartl davor schon in Kurzfilmen wie Spitzendeckchen oder Wenn’s kalt wird unter Beweis gestellt: Alle seine Arbeiten sind maßgeblich beeinflusst vom Fantastischen Film der Achtziger- und Neunziger-Jahre, sind nicht interessiert am grellen Schock, sondern geben sich vergnügt, quirlig, manchmal verträumt und unbedingt analog-romantisch. Die vorhin bereits erwähnte SFX-Leistung vom Berliner “Chris’ Creatures”-Team ist auch international wettbewerbsfähig: Wie man all die dampfenden Gedärme und abgetrennten Köpfe inszeniert, das hat Hartl im Zuge seiner klassischen Filmschulbildung mit ziemlicher Sicherheit nicht gelernt, sondern wohl wie viele andere auch mit Bonus-Material auf DVDs und Blu-rays einen Blick hinter die Kulissen von Effektfilmen geworfen.
Das /slash Filmfestival ist seit seiner Gründung im Jahr 2010 zu einem wesentlichen Hub für Filmkreative geworden, die sich für das Fantastische interessieren. Nicht nur eröffnen wir heuer nach Marvin Krens Blutgletscher und Ulrich Seidls Im Keller bereits zum dritten (!) Mal mit einem österreichischen Film, nicht nur waren bei uns herausragende heimische Kurzfilme etwa von Peter Hengl und Dominik Hartl zu sehen, sondern auch unser offizieller Festival-Trailer wird für gewöhnlich von einem hiesigen (Jung-)Talent gestaltet. 2016 ist das Animationsfilmer Wolf Matzl, der hierzulande noch viel zu unbekannt, international bereits riesige Wellen durch seine Mitarbeit am Anthologie-Film The ABCs of Death 2 geschlagen hat.
Auf dass sich die heimische Branche etwas leichter tut mit dem Fantastischen Film, vor allem aber damit der Nachwuchs eine Möglichkeit hat, sich mit internationalen Talenten, denen der Durchbruch bereits gelungen ist, zu vernetzen und Wissen zu tanken, öffnet das INSTITUT SCHAMLOS, geleitet von Julia Schmölz (FISA) und von mir mitgegründet, heuer zum ersten Mal sein Tor: Unterstützt vom Österreichischen Filminstitut (ÖFI) und in Kooperation mit der Ulrich Seidl Film holen wir im Rahmen des /slash Filmfestivals maßgebliche Figuren des internationalen Fantastischen Films nach Österreich, darunter etwa den neuseeländischen Produzenten Ant Timpson (Turbo Kid, The Greasy Strangler) und den italienischen Regie-Altmeister Ruggero Deodato (Cannibal Holocaust). (HIER findet ihr das diesjährige Programm der Industry Days, die am 28.+29. September 2016 stattfinden.)
Und das alles soll Spuren hinterlassen, soll hierzulande zu einem erhöhten Bewusstsein dafür führen, was der Fantastische Film alles kann, soll intellektuelles und pragmatisches Rüstzeug mitgeben, auf dass in Zukunft (noch) mehr Genre-Projekte entwickelt werden.
Das Institut wird und darf aber nicht mit dem Kick Off beim /slash Filmfestival enden: Wir wollen das ganze Jahr über erste Anlaufstelle und Fürsprechagentur sein. Wenn es nach uns geht, soll es nicht mehr dazu kommen, dass man einem jungen Regisseur gegenüber sitzt, der seine Genre-Kurzfilme selbstfinanziert, weil er sich in der Förderlandschaft nicht aufgehoben fühlt. Der Fantastische Film muss, wie es in vielen anderen Produktionsländern längst üblich ist, auch in Österreich so selbstverständlich sein wie der Dokumentar- oder der Avantgardefilm, muss mitgedacht werden, wo er es die längste Zeit nicht wurde, muss gefördert werden, wo er verhindert wurde, muss gefeiert werden, wo er versteckt wurde.
Mit ein Grund, Dominik Hartl mit Attack of the Lederhosenzombies viel Erfolg zu wünschen, auch und gerade in Österreich. Denn wo bierschwangere Aprés-Ski-Zombies auf Almhütten zu Schlagern schunkeln, wo Eingeweide auf den Schnee klatschen und Skistöcke Augenhöhlen durchbohren, wo eine Wirtin mit einem Maschinen-Gewehr auf Untote schießt und ein Zombie-Reh in einem Schneemobil verendet, da schlägt das heimische Kinoherzerl besonders laut, auch wenn es einige nicht wahrhaben wollen.
Über alles weitere reden wir dann beim Institut Schamlos.