Der Typ mit den Lederhosenzombies
Am 23. Dezember 2016 startet die Zombie-Komödie Angriff der Lederhosenzombies in den österreichischen Kinos. Regisseur Dominik Hartl (Jg. 1983) aus Schladming lernte sein Handwerk an der Filmakademie Wien, wo er Drehbuch und Regie studierte und 2012 mit dem Kurzfilm Spitzendeckchen sein Bachelorstudium abschloss. Angriff der Lederhosenzombies ist bereits sein zweiter Kinospielfilm, mit dem Coming-of-Age-Film Beautiful Girl feierte er 2015 sein Kinodebüt. In seiner noch sehr jungen Filmlaufbahn legt er bereits eine große Genre-Spannweite vor.
Schon sehr früh entdeckte Dominik seine Leidenschaft für Film und im Speziellen seine Faszination für das Horrorgenre. Mit 12 Jahren baute er in seinem Kinderzimmer erste Filmkulissen aus Legosteinen, ließ darin Köpfe rollen und verteilte Ketchup in rauen Mengen. “Eigentlich habe ich ja bis heute Angst vor Horrorfilmen, daher rührt vermutlich auch meine Faszination dafür, weil es mich seit jeher körperlich berührt.”
Als großer Robin Hood-Fan schmuggelte er sich mit zehn Jahren in den Film mit Kevin Kostner, und weil der Film in diesem Alter vermutlich mehr Horror als Abenteuer bedeutet, konnte Dominik danach drei Tage nicht schlafen und scrollte sich später dann Tage lang durch die Schlachten um herauszufinden, wie das alles funktionierte und gemacht wurde.
“Du kannst behaupten, das passiert wirklich.”
Dominiks ursprünglicher Berufswunsch war es, Zeichner für Disneyfilme zu werden. Deshalb wollte er auch den Grafikzweig an der Ortweinschule in Graz besuchen. Dort erfuhr er, dass es auch einen Zweig für Film und Fotografie gab. “Diesen Zweig leiteten Michael Satzinger und Johannes Steger, zwei Absolventen der Filmakademie Wien, und die haben dort eine Art Mini-Filmakademie aufgezogen. Durch meine Lehrer bin ich schon sehr früh auf professionellen Filmsets dabei gewesen und habe an der Schule auch erste eigene Projekte umgesetzt.”
Just A Dream (1997), ein Lego-Horrorfilm
In seinen Augen fast zu früh wurde er an der Filmakademie Wien angenommen. “Ich habe nicht damit gerechnet genommen zu werden und wollte nach der Aufnahmeprüfung wieder nach Graz zurück, weil ich dort noch einige Projekte laufen hatte. Irgendwie hab ich es aber geschafft, dass ich meine Aufnahme um ein Jahr nach hinten verschieben konnte.”
Relativ bald, nachdem Dominik Regie und Drehbuch zu studieren begann, hatte er ein Erweckungserlebnis, das seinen Weg zum Genrekino bereitet hat. “Ich saß im Kino und die Trailer liefen. Es gab ein paar Arthouse-Trailer und danach kamen die Genre-Action-Trailer. Da dachte ich mir, es gibt Filme, die man sich anschauen soll, und Filme, die man sich anschauen will. Natürlich ist man beeindruckt von den großen Arthouse-Zampanos, aber eigentlich möchtest du ja was anderes. Also warum sollte ich mich verbiegen?”
“Ich will Filme machen, die ich mir auch selbst gern anschauen möchte.”
Zu dieser Zeit, es war sein zweites Jahr an der Filmakademie Wien, entstand das zuerst nur als Spaß gedachte Projekt der Lederhosenzombies. Dominik ist in Schladming aufgewachsen und kannte den ganzen Après-Ski-Wahnsinn von klein auf. Als begeistereter und einer der ersten Freeskie-Fahrer war die Idee recht naheliegend, den “betrunkenen Après-Ski-Zombies mit Freestyle-Moves den Kopf abzuhacken”. Er verfasste ein Treatment zu dieser Geschichte und präsentierte es 2009 bei der FAKT – der Talentschau der Filmakademie Wien – vor Produzent_innen. “Neben sämtlichen Geschichten, in denen irgendein Jugendtrauma aufgearbeitet wird, hat mein Lederhosenprojekt für ziemliche Aufregung gesorgt, wir haben sogar extra für die FAKT einen Trailer gedreht. Am nächsten Tag hat mich die Produzentin einer sehr großen Produktionsfirma angerufen und gemeint, sie möchte die Idee optionieren. Das war für mich so, als würde Hollywood anrufen!”
Bis zum ersten Drehtag von Angriff der Lederhosenzombies sollten aber noch sieben Jahre vergehen. Das Drehbuch war damals noch sehr unausgegoren, Dominik wechselte später auch zur Fischer-Film, einer kleineren Produktionsfirma. Die Zwischenzeit nutzte er, um tiefer in die Mechanismen des Genre-Kinos einzutauchen und diese zu studieren. “Beim Genrefilm bist du mit Einschränkungen konfrontiert, die das Format mit sich bringt. Es ist natürlich immer eine Geschmacksfrage, wie man arbeiten will. Ich finde diese Art zu arbeiten sehr reizvoll, weil man sich einerseits besser orientieren kann und innerhalb dieser Einschränkungen sehr kreativ werden muss. Es ist ein viel konkreteres Arbeiten, als wenn alles offen ist. Michael Haneke meinte einmal sinngemäß, je enger man das Korsett schnürt, desto mehr muss man sich über die Details in diesem Korsett Gedanken machen.”
Trailer zu Wenn’s kalt wird (2014), eine schwarze Komödie über einen Pathologen, der sich mit den Geistern der Verstorbenen herumschlagen muss. Der 10-minütige Kurzfilm feierte seine Premiere beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2015.
Die Filme, die während Dominiks Zeit an der Filmakademie Wien entstanden sind, dienten ihm zur Vorbereitung für seinen ersten großen Spielfilm.
Sein Kurzspielfilm Bis einer weint (2010, 17 min) war der erste Versuch sich dem Komödien-Genre zu nähern und wie er selbst sagt, an diesem Genre auch grandios zu scheitern. “Der Film war einfach nicht lustig genug. Bei der Komödie ist es wirklich schwer abzuschätzen, was zu verhalten und was zu offensichtlich erzählt ist. Wirklich wissen tut man es erst, wenn die Leute im Saal an den richtigen Stellen lachen – oder halt nicht.”
Danach drehte er den Kurzdokumentarfilm Drop In (2010, 10 min), in dem er den Freeskie-Profi Flo Wieser portraitiert. “Es war ein sehr lehrreicher Dreh, bei der Doku war es mir wichtig herauszufinden wie es ist, mit viel Equipment im Schnee zu drehen und mit verschiedenen Kameras verschiedene Looks auszuprobieren.”
Schnee-Dreh – am Set von Angriff der Lederhosenzombies
Für seinen Bachelorfilm, die Gruselkomödie Spitzendeckchen (2012, 26 min), befasste sich Dominik intensiv mit Bodyhorror, Prosthetics, Silikonmasken und Compositing. Dass sich das große Wissen, das er sich während dieses Films angeeignet hat, mit mittlerweile über einer Million Klicks auf Youtube und einem Vimeo Staff Pick bezahlt gemacht hat, konnte er zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ahnen. Der Film wurde auf über 60 Festivals gezeigt, gewann einige Preise und war schlussendlich für die Finanzierung von Angriff der Lederhosenzombies Gold wert.
“Die Angst ist auf der Seite der Fördergeber.”
Die Finanzierung von Angriff der Lederhosenzombies gestaltete sich aus mehreren Gründen sehr schwierig und dauerte schlussendlich bis kurz vor Drehbeginn. Bis zuletzt wurde am Drehbuch gefeilt, Handlungsstränge mussten entfernt werden, um mit dem Geld (2.7 Mio. Euro) zurechtzukommen. Und es mussten kreative Lösungen für aufwändige Special Effects gefunden werden. “Ich habe eins von John Carpenter gelernt: das Wichtigste ist der Anfang des Films. Da musst du richtig Kohle ausgeben und Production Value bringen. Danach musst du gut verteilen bis zum nächsten Set-Piece und am Ende nochmals einen großen Showdown liefern.”
Am Set von Angriff der Lederhosenzombies
Wenn ein_e junge_r Filmemacher_in den ersten abendfüllenden Spielfilm realisieren möchte, muss bei Förderstellen viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. “Es geht nicht immer nur um eine herausragende Idee, es geht sehr oft darum, dass dir die Leute, die dir das Geld geben, auch zutrauen den Film verantwortungsbewusst umzusetzen. Mir kam da sicher zugute, dass ich ein Teamplayer und kein Egozentriker bin. Und der Rat eines Professors hat mir dabei auch sehr geholfen. Er sagte einmal zu mir: ‘Wenn du als Regisseur zu den Geldgebern gehst, dann musst du immer wissen, dass die Angst auf ihrer Seite ist. Sie haben Angst, was mit dem Geld passiert, und du musst ihnen die Sicherheit geben, dass ihre Investition in guten Händen ist. Sie müssen das Gefühl haben, der Typ schafft das.’ Und wenn ich sage, ich schaffe das, dann schaffe ich das auch.”
Snowmobil-Kontrollmonitor am Set von Angriff der Lederhosenzombies
Im Gespräch mit Dominik merkt man recht schnell, dass er ein Macher mit starken Nerven und gutem Durchhaltevermögen ist, das ihm sein Vater, ein begeisterter Sportler, mitgegeben hat. Er hatte auch nie große Berührungsängste vor etablierten Branchenmenschen. “Ich bin einfach zu den Produktionsfirmen gegangen und hab mich vorgestellt. Es gibt oft Ressentiments, dass die ‘großen’ Produzenten die jungen Leute ausnutzen. Ich habe bei uns in Österreich eher das Gefühl, die Produzenten suchen junge Leute, mit denen sie Stoffe umsetzen können. Wir haben hier schon eine spezielle Situation. In anderen Ländern wartet niemand auf dich. Bei uns findest du für so ziemlich alles einen passenden Produzenten. Für ein so kleines Land ist das ein großes Privileg.”
Aus einem dieser “netten Gespräche mit Produzenten” entstand vor zwei Jahren dann auch der Spielfilm Beautiful Girl. Die Allegro Film ist mit dem Stoff, einer Romanadaption, für die es schon eine erste Fassung von Agnes Pluch gab, an Dominik herangetreten. Er solle einen Rewrite dieses doch etwas verstaubten Stoffes machen. “Ich war eigentlich immer der Typ mit den Lederhosenzombies und dann ist mir dieser Film einfach so passiert. Ich hab eine zweite Fassung geschrieben, in der ich sehr frei sein konnte, und der Stoff ist nur so durch die Förderungen geflutscht. Ich glaub, der Film ging fast jedem zu schnell! Aber für mich war es der größte Glücksfall, weil ich beweisen konnte, dass ich mit Schauspielern arbeiten und auch sensible Stoffe inszenieren kann. Hätte ich nur die Lederhosenzombies gehabt, dann wäre ich jetzt der Typ, der diesen ‘Hau-drauf-Film’ gemacht hätte.”
Im Moment pendelt Dominik zwischen seinen zwei Wohnsitzen in Wien und New York hin und her und versucht an beiden Orten zu arbeiten. In Österreich bereitet er gerade seinen nächsten Spielfilm vor. Diesmal eine Mischung aus Jugendfilm und Splatter-Horror. In Amerika nützt er die Zeit, um an neuen Drehbüchern zu schreiben. “Ich wollte woanders leben, um etwas Neues kennenzulernen, und gerade beim Drehbuchschreiben ist es egal, wo du lebst. Was das Filme machen betrifft, glaube ich, dass es kein härteres Pflaster als die USA gibt. Da werden Erstlingsfilme um 50.000 bis 100.000 Dollar nur so rausgeschossen. Die jungen Filmemacher verschulden sich damit fast immer selbst, sie geben ihr Erbe für Filme aus, die sich dann niemand anschaut. Der Eine, der es ohne einen Agenten schafft, ist die absolute Ausnahme. Da bist du als europäischer Filmemacher schon privilegiert, wenn du deine ersten Filme machen kannst, ohne dich hoch zu verschulden.”
Dominik Hartl gehört zu einer neuen Generation von Filmemacher_innen, die dem österreichischen Kino zu einer möglichweise neuen Tradition verhelfen: “Die Skandinavier hatten in den letzten zehn Jahren einen enormen Output an Genrefilmen, idealerweise passiert das bei uns auch und wir haben bald eine ‘Austrian Genre Invasion’.”
Wir würden es uns wünschen!