Florian Brüning (im Bild rechts) & Thomas Herberth haben 2005 in Wien ihre ersten filmischen Gehversuche gemeinsam unternommen. Florian entschied sich anschließend für ein Produktionsstudium an der Filmakademie Wien, während Thomas ein Regiestudium an der Hochschule für Fernsehen und Film München absolvierte. 2015 gründeten sie gemeinsam mit dem Münchner Regisseur Alireza Golafshan die Horse&Fruits Filmproduktion mit Standort in Wien und München. Ihr Fokus liegt im Aufbau von und in der langfristigen Zusammenarbeit mit themenstarken AutorInnen in Dokumentarfilm, Spielfilm und Serie.
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Das Bild vom Nachwuchs finden wir bemerkenswert. Wir, mittleren Alters, und – wie die meisten unserer sogenannten „Nachwuchs“-KollegInnen – seit über 15 Jahren beim Film, würden uns ja in keinem anderen Lebensbereich mehr so beschreiben. Dennoch haben wir diese Zuschreibung bis heute widerstandslos hingenommen. Dabei sagt sie wenig über unser Können oder unsere Erfahrung aus als vielmehr über die Verfasstheit der österreichischen Filmbranche.
Wie gelingt eigentlich der Sprung vom Nachwuchs zum arrivierten Produzenten? Die Antwort ist ernüchternd: In den vorherrschenden Strukturen ist dieser Sprung zum unternehmerisch tätigen Filmproduzenten unserer Einschätzung nach gar nicht vorgesehen. Um das Bild zu vertiefen, sei festgestellt: Nachwuchs braucht genügend Platz zum Wachsen, Nahrung und Licht, kurz: von allen Seiten gewollte Wettbewerbsvorteile. Das Gegenteil aber ist österreichische Realität: Die tendenzielle Verringerung des Kino-Produktionsvolumens gepaart mit der Stagnation der Finanzierungsmittel haben in der heimischen Filmbranche zu einer Monokultur geführt, in der etablierte Unternehmen ihren Standort verteidigen, nicht nur durch erarbeitete Vorteile wie Entwicklungskompetenz, Cashflow und Akquisemöglichkeiten, sondern auch durch den politischen Zugriff und die Konservierung der Instrumente, die den Wettbewerb regulieren.
Ehre, wem Ehre gebührt: Den AkteurInnen, die jene Strukturen in den letzten 20 Jahren aufgebaut und verwaltet haben, ist es gelungen, das österreichische Kino international prominent zu platzieren, und sie haben den Boden dafür bereitet, dass hier bis heute eine hohe Dichte an selbstbewussten und ausdrucksstarken Kreativen ansässig ist. Sie selbst haben das mit einem riskanten, aber lohnenswerten Investment in den „Nachwuchs“ in die Wege geleitet.
Heute bieten jedoch weder die Filmförderinstitutionen noch die allgemeine Wirtschaftsförderung, aber auch nicht die Interessens- oder Wirtschaftsverbände und erst recht nicht der ORF dringend nötige Förder- und Beratungsschienen an, die es jungen ProduzentInnen erleichtern würde, innovative Projekte umzusetzen, geschweige denn überhaupt ein Unternehmen aufzubauen. Zusätzlich sind eine Vielzahl von Hürden zu benennen, die eine rein nationale Finanzierung für neu auf den Markt drängende Produktionsfirmen nahezu unmöglich machen: Der Filmfonds Wien verlangt beispielsweise einen Kompetenznachweis in Form eines bereits in gleicher Dimension realisierten Projektes, die Spitzenfinanzierung der FISA greift erst bei einer Finanzierunghöhe, die wiederum für Nachwuchsfirmen kaum zu stemmen ist, und die rigorose Auslegung des Kollektivertrages verunmöglicht die schnelle Umsetzung kleinerer Debütprojekte mit nur einem Finanzierungspartner. Das ÖFI zeigt zwar ein vitales Interesse an jungen Produktionsfirmen, aber auch dort konkurrieren wir mit den etablierten Firmen um die gleichen Mittel – unter schlechteren Ausgangsbedingungen.
Sollte man wider die Vernunft dennoch darauf beharren, in der Branche als Nachwuchs zu überleben, gibt es unserer Ansicht nach zwei Strategien: Entweder man ist mit zahlreichen Talenten gesegnet und übernimmt selbst wesentliche künstlerische Positionen innerhalb der eigenen Produktion, sodass die Realisierung eines einzigen Projektes den (bescheidenen) Eigenbedarf für einen längeren Zeitraum deckt. Oder man übernimmt produktionelle Teilaufträge etablierter Firmen, um die eigenen laufenden Kosten mit fremden Fördermitteln zu bestreiten. In keinem Fall ist jedenfalls produktionsspezifisches Wachstum erlaubt, höchstens das Überleben.
In unserer Praxis als Produzenten bedeutet das, wir haben, außer unserem höchstpersönlichen Engagement, keinerlei Vorteile, die wir AutorInnen anbieten könnten, um mit uns zu arbeiten. Die unangenehme Wahrheit ist: Hätten wir nicht unseren gewachsenen Zugang zum deutschen Markt, der an einigen Standorten den produzentischen Nachwuchs wesentlich entschiedener schützt und fördert, müssten wir nun den Standort an unserem Lebensmittelpunkt Wien nach drei Jahren harter Arbeit eigentlich auflösen. Leben können wir von unserer Arbeit hierzulande allein jedenfalls nicht.
Was also fehlt, sind konkrete Instrumente, mit denen Nachwuchsfirmen in der Lage sind, ein Portfolio aufzubauen und darüber hinaus – denn das ist ja Sinn und Zweck von Nachwuchs – alte Strukturen herauszufordern, um mit innovativen Ideen den stagnierenden Markt zu beleben und zu erweitern. Dazu gehören geschützte Töpfe für den Nachwuchs mit einem spezifischen Regelwerk, beispielsweise durch eine Reform der Werkstattprojekte, weiters Anreize für erfahrene ProduzentInnen, sich in nationalen Koproduktionen mit jungen Firmen zu engagieren, um den Wissenstransfer zu erleichtern, sowie angepasste Struktur- und Netzwerkförderungen für junge Unternehmen. Darüber hinaus braucht es Möglichkeiten, den Cashflow zu erhöhen, um die Darstellung des Eigenanteils zu erleichtern und den jungen UnternehmerInnen bei der selbstinitialisierten Projektentwicklung mehr Ausdauer zu verschaffen.
Aber damit nicht genug: Um das Innovationspotenzial junger Produzierender zu aktivieren, braucht es dringend Fördermöglichkeiten, die die eingeschliffene Verwertungskette infrage stellen. Entwicklungsförderung für internationale Serienformate, Herstellungsförderung, die narrative Strukturen über das Kino hinaus, etwa über Games, VR oder Influencing, zulässt und Verwertungsförderung, die eine kreative, zielgruppengenaue Verwertung über Socialmedia und im VOD-Bereich ermöglicht, sind nur einige Beispiele, die es jungen Produzierenden erlauben würden, einen eigenständigen USP zu entwickeln.
Hier ist die Zusammenarbeit von Förderinstitutionen, Verbänden, Wirtschaftsagentur und dem ORF gefragt, gemeinsame Programme ins Leben zu rufen, die dem sich veränderten Markt gerecht werden und junge ProduzentInnen begleiten, sich darin einen Platz zu erarbeiten. Denn genau in diesen Bereichen liegt die Chance des produzentischen Nachwuchses, mit dem herausragenden österreichischen Kreativpotenzial neue Teilbereiche eines Marktes zu erschließen, der im Moment offensichtlich an einer ernsthaften Wachstumsstörung leidet.