Humoristisches Erzählen im Film
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Humoristisches Erzählen im Film

Alexander Peskador, Elena Wolff, April 2025

Beim diesjährigen Breakfast Club auf der Diagonale sprachen Arash T. Riahi, Svenja Böttger, Rupert Höller, Sophie Stejskal, Elena Wolff und Alexander Peskador über humoristisches Erzählen im Film. Die folgenden Texte waren die Beiträge von Alexander Peskador und Elena Wolff. 

ELENA WOLFF  “Humor ist nicht nur die Antithese zur Angst, sondern auch zur Scham.”

Elena Wolff ist Regisseur:in, Schauspieler:in und Drebuchautor:in und studiert aktuell an der Filmakademie Wien Regie und Drehbuch. Elenas unabhängig finanzierter Spielfilm ASCHE (90 Min) wurde 2024 bei der Diagonale uraufgeführt und gewann den Preis für die beste Bildgestaltung. Elenas Independent-Debütfilm Para:Dies (79 Min)(Regie/Buch/Spiel), der in nur 7 Drehtagen entstand, lief 2022 u.a. im Wettbewerb des Max Ophüls Filmfestivals und gewann bei der Diagonale den Darstellerinnen-Preis. Zwischen 2015 und 2019 studierte Elena Schauspiel an der Anton Bruckner Universität Schauspiel und war seitdem in mehreren Theaterproduktion sowie in Film und Fernsehen zu sehen.

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Die Komödie wird häufig wie die minderwertige Schwester der Tragödie behandelt. Man unterstellt ihr Gefälligkeit, Oberflächlichkeit und Plattheit. Damit tut man ihr und ihrem Potenzial meist unrecht.

In Wahrheit sind beide Genres eng verwandt. Einer guten Komödie wohnt Tragik inne, einer guten Tragödie Humor. Auf jeder Beerdigung wird auch gelacht, auf jeder Hochzeit geweint. Alles beinhaltet Kontraste.

Humor erfordert Selbsterkenntnis. Derdie Komödiantin bzw. Autorin baut Erwartung beim Publikum auf und bricht oder erfüllt sie. Die Rezipientinnen erkennen ihre eigene Erwartung, gleichen sie mit dem Gesehenen oder Gehörten ab, spüren die Differenz – und das Lachen entsteht. Es ist häufig kein Zufall, sondern große Kunst, Zuschauer:innen durch diesen Prozess zu führen.

In meiner Zeit als Stand-up-Comedian konnte ich aus erster Hand feststellen, dass Humor ein extrem effizientes Mittel ist, um komplexe, sonst schwer zugängliche sozial-politische Inhalte zu vermitteln. Wenn Menschen die Belohnung des Lachens erwarten, stellen sie sich anders zur Verfügung. Sie öffnen ihre Poren. Sie hören zu. Das macht es leichter, Themen zugänglich zu machen, denen sich Menschen in anderen Kontexten verschließen würden. Das sei einmal wertfrei dahingestellt. Humor ist ein mächtiges Mittel – und gerade deshalb nicht ungefährlich. Man muss ihm mit Sorgfalt begegnen.

Die Praxis der Satire und Karikatur ist ein effizientes Mittel und wird von Vertreter:innen aller politischen Lager angewandt – mitunter in den falschen Händen, mit teils verheerenden Folgen für marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Humor kann ein Aufbegehren gegen gängige Unterdrückungsmechanismen sein, aber auch deren Instrument. Es ist aus diesem Grund essenziell, die eigene humoristische Praxis genau zu prüfen: Mache ich mich lustig über die Unterdrücker – oder über die Unterdrückten? Wem füge ich potenziell Schaden zu? Wer lacht – und auf wessen Kosten?

Humor ist nicht nur die Antithese zur Angst, sondern auch zur Scham. Scham hält uns klein, sie isoliert uns, macht uns mundtot und verhindert, dass wir uns zusammenschließen und ineinander erkennen. Scham schafft Gräben – Humor kann Brücken schlagen.

Es ist meines Erachtens ein Irrtum zu glauben, Figuren im Film mit Würde auszustatten, indem man den Fokus auf ihr Leiden legt. Viel eher empfinden wir ihre Würde, wenn sie Humor produzieren dürfen. Es ist eine sowohl künstlerisch als auch politisch signifikante Entscheidung, wen man mit Witz ausstattet. Der Unterschied zwischen einer Figur, über die man lacht, und einer, die aktiv Humor produziert, entscheidet darüber, wie sie wahrgenommen wird.

Ich appelliere an Autorinnen, Filmemacherinnen und Schauspieler:innen: Nehmt Humor ernst.
Vielleicht liegt darin die größte Chance.

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Foto © Diagonale/Harald Wawrzyniak

ALEXANDER PESKADOR   „Ich will keine Verbitterung, sondern Liebe in die Welt tragen“

Alexander Peskador heißt eigentlich Alex Fischer, und ist 1993 in Wien geboren. Nach einem TFM-Studium ging es für ihn 2019 nach Ludwigsburg, um an der Filmakademie Baden-Württemberg Regie zu studieren. Sein Herz schlägt für Genrefilme und Komödien. Seine Kurzfilme erzählen von bürokratischen Verwirrungen im Mittelalter, von sprechenden Bäuchen und von Bankräubern, die im Kaffeehaus um ihr Leben kellnern. Sie sind oft auf deutschen Filmfestivals, wie beispielsweise den Hofer Filmtagen, zu sehen.

Norman Hope, ein amerikanischer Privatdetektiv im Trenchcoat, betritt das Podium. Er entschuldigt sich in eigentümlichem Englisch dafür, dass Alexander Peskador heute nicht hier sein kann, weil es ihm nicht gut geht. Nachdem er einer Veranstaltungsbesucherin einen Apfel gereicht, seinen Stofftierhund aufs Rednerpult gesetzt und sich aus der Küche ein Messer hat bringen lassen, öffnet er damit ein Kuvert, um in akzentfreiem Deutsch einen Brief vorzulesen, den Alexander Peskador für das Publikum verfasst hat.

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Guten Morgen Euch Allen!

Es erfüllt mich mit aufrichtiger Freude, dass ihr trotz der langen Nacht, die ihr vermutlich hinter euch habt, die Kraft und den Willen aufgebracht habt, mit uns gemeinsam zu frühstücken und dabei über ein Thema zu sprechen, das mir irrsinnig viel bedeutet.

Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen, dass Ich für meinen Impulsvortrag nicht persönlich auf der Bühne stehe, sondern mich von einem treuen Freund vertreten lasse, der mir so ähnlich sieht, dass man ihn häufig mit mir verwechselt. Das ist sogar mir selbst oft genug passiert.

Ich kann leider nicht persönlich hier sein, weil ich mich seit einem Monat, vier Wochen und fünf Tagen in einer sogenannten Umbruchsphase befinde. Als Elli mich Ende Februar eingeladen hat, heute Vormittag zu und mit euch zu sprechen, konnte sie nicht wissen, dass ich aktuell mehrmals täglich, ja eigentlich rund um die Uhr, sehr intensiv darüber nachdenke, warum Ich immer gerne Menschen zum Lachen gebracht habe und ob Ich das in Zukunft überhaupt noch möchte.

Im riesigen Chor der Stimmen des zeitgenössischen österreichischen Kinos bin Ich vermutlich eine, die man ohne großes Zögern entbehren könnte. Als weißer heterosexueller CIS-Mann mit liebevollen Akademikereltern, aufgewachsen in einem Land, das 80 Jahre lang keinen Krieg gesehen hat, komme Ich bis heute in den Genuss des Privilegs, mich nicht mit den tatsächlichen Problemen unserer Welt unmittelbar auseinandersetzen zu müssen.

Dieses Privileg und die bedingungslose Liebe meiner Eltern haben mir die Möglichkeit gegeben, das Kino zu meinem alleinigen Lebensinhalt zu machen. Seit man mir gezeigt hat, wie man einen VHS-Recorder einschaltet, denke und lebe ich in Filmbildern, und sauge voller Euphorie, wie ein bis in alle Ewigkeit trockener Schwamm alles auf, was mit Kino zu tun hat. Die Frage ist nur: Was macht man nun mit all dem Wissen?

Dass ich Filmemacher werden möchte, stand für mich mit 14 Jahren fest. Und mit Anfang zwanzig hatte ich schließlich auch beschlossen, was für Filme Ich machen möchte: „Ich will keine Traurigkeit in diese Welt tragen. Ich will Menschen zum Lachen bringen“. Nach diesem Credo habe ich die letzten zehn Jahre gelebt. Die Komödie war, wenn man so will, meine Religion.

Worte können nicht ausdrücken, wie viel mir die Liebe, die Wertschätzung und die Dankbarkeit bedeuten, die mir zahlreiche Menschen in den letzten zehn Jahren für meine Arbeit entgegengebracht haben. Das Lachen und die Freude der Menschen um mich herum waren mein Lebenselixier, mein Sprit, meine Droge, von der Ich mich abhängig gemacht habe.

Das Unbarmherzige an einem Leben als Komiker ist, dass man immer sofort spürt, wenn man versagt hat. Wenn ich scherze und keiner lacht, hab ich meine Arbeit schlecht gemacht. Die Schule des Lebens besteht womöglich darin, akzeptieren zu müssen, dass wir niemals alle Menschen um uns herum zum Lachen bringen werden, so sehr wir uns das auch wünschen.

Es werden dir zwangsweise Menschen begegnen, die dich für einen albernen Idioten halten. Es kann dir passieren, dass die Filmhochschule, an der du dein Leben lang studieren wolltest, dich bei allen drei Bewerbungsversuchen ablehnt. Es kann dir passieren, dass das Festival des österreichischen Films acht Jahre in Folge nicht einen einzigen Film von dir spielt. Und es kann dir passieren, dass du Freunde, Familie und deine Partnerin zurücklassen musst, weil die Menschen, die mit deiner Arbeit etwas anfangen können, zufällig nicht ums Eck, sondern 600 Kilometer entfernt leben. Auf diese Dinge hast du keinen Einfluss.

Worauf wir aber einen Einfluss haben, ist die Art, wie wir mit den Widrigkeiten und Rückschlägen des Lebens umgehen wollen. Ich hatte mir vorgenommen, keine Traurigkeit in die Welt zu tragen, und kann nun aus voller Überzeugung sagen, dass Ich an meiner selbst gewählten Mission gescheitert bin. Ihr alle seid Zeugen, wenn Ich heute die Hand auf mein Herz lege und sage: Ich bin traurig.

Das bedeutet aber keinesfalls, dass ich ab sofort meinen Humor in den Keller sperren werde. Das wäre ein Zeichen von Verbitterung und würde mich lediglich dazu bringen, von nun an Gift und Galle in die Welt zu spucken. Ich möchte lediglich eine kleine Anpassung vornehmen und ein neues Motto formulieren, nach dem Ich in Zukunft mein Leben gestalten möchte.

Es ist nicht länger die Traurigkeit, die ich mir verbieten möchte. Ich möchte lediglich keine Verbitterung in die Welt tragen. Ich will keine Verbitterung, sondern Liebe in die Welt tragen. Ich will die Menschen um mich herum nicht als meine Feinde, sondern als meine Freunde betrachten. Ich zwinge meine Liebe niemandem auf. Und ich erwarte mir für meine Liebe keinerlei Gegenleistung zurück.

Ich lebe erst wenige Wochen nach diesen Prinzipien und habe keinerlei Garantie, dass ich nicht wieder auf die Fresse fliege, aber eines fällt mir jetzt schon auf: Seit ich mit gutem Gewissen traurig bin, macht mir das Herumalbern und Witze reißen so viel Spaß, wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Ich hoffe, ihr könnt verstehen und mir verzeihen, dass ich die lockere Frühstücksatmosphäre mit meiner Sonntagspredigt ein wenig sabotiert habe, und hoffe, dass in meinem wirren Gerede irgendeine Kleinigkeit dabei war, die ihr für euch mitnehmen könnt. Als Dankeschön dafür, dass ihr mir eure Aufmerksamkeit geschenkt habt, möchte Ich euch nun zum Abschluss die drei Kinokomödien nennen, die mir am meisten bedeuten:

Der Vagabund und das Kind
von Charlie Chaplin aus dem Jahr 1921,
Originaltitel: The Kid

Der Brillantenarm
von Leonid Gaidai aus dem Jahr 1969,
Originaltitel: Бриллиантовая рука

und

Inspector Clouseau, der beste Mann bei Interpol
von Blake Edwards aus dem Jahr 1976,
Originaltitel: The Pink Panther Strikes Again

Ich umarme Euch alle herzlich,
wünsche euch von ganzem Herzen
eine großartige restliche Diagonale
und einen guten Appetit.

Thank you.

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