„Mein Zugang zum Film ist durch den Ton“
Tong Zhang, 1989 in Beijing, China geboren, studierte zunächst Musiktechnologie in seiner Geburtsstadt, bevor er 2009 nach Wien kam, um das Tonmeisterstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst zu absolvieren. 2022 begann er das Künstlerische Doktoratsstudium. Seit 2012 arbeitet er als Tonmeister und Sounddesigner im Film-, Fernseh- und Musikbereich. 2023 war Tong beim Österreichischen Filmpreis gleich für zwei Filme für die beste Tongestaltung nominiert: für den Dokumentarfilm STAMS und den Science-Fiction-Spielfilm Rubikon. Für das Startstipendium 2023 hat Tong sich mit einer Dokumentarfilmidee beworben, die sich auf die Suche nach der nicht-binären Stimme begibt.
Auf deiner Webseite schreibst du, dass du im Alter von vier Jahren schon Musikerziehung erhalten und mit fünf erste Bühnenerfahrung gemacht hast. Es folgten Erfahrungen in Schauspiel, Tanz, Kunst und Literatur. Wie bist du letztlich beim Ton/Sound gelandet?
Tong Zhang: Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, als Kind vieles auszuprobieren. Sei es Schauspiel, Tanz, Kaligraphie oder Malen… Aber bis zum Schluss ist nur die Musik geblieben. Andererseits interessiere ich mich auch für Technologie. Als Kind habe ich viele elektronische Geräte zerlegt und damit auch zerstört, nur um zu schauen, wie sie von innen aussehen. Meinen ersten Computer habe ich mit 15 selbst aus Komponenten aus dem Elektronikmarkt zusammengebaut. Die Technik hat mich immer fasziniert und die Welt des Tons ist die perfekte Kombination zwischen Kunst und Technik.
Jetzt möchtest du auch deine erste Regiearbeit machen. Worum geht es im Dokumentarfilmprojekt, mit dem du dich für das Startstipendium beworben hast?
Ich habe mich mit der Idee für einen experimentellen Dokumentarfilm Auf der Suche nach nicht-binäre Stimme für das Startstipendium beworben. Die Stimme ist hier doppelt gemeint, sowohl als menschliche Stimme als auch als politische Stimme. Auf der ersten Ebene geht es um die Suche nach dem Klang einer nicht-binären Stimme. Dabei werde ich vor allem die Personen, die sich als nicht-binär identifizieren, auf ihrer Suche begleiten. Auf der zweiten Ebene geht es um das gesellschaftliche Miteinander. Trans- und nicht-binäre Menschen sind normale Menschen. Anstatt ihnen vorzuschreiben, wie sie sein sollen, sollten wir sie akzeptant und mit Respekt behandeln. In dem Film spielt KI auch eine Rolle. Als eine Maschine oder Software hat KI eigentlich kein Gender, aber durch die Stimme, die wir der KI zuteilen, erhalten sie dieses plötzlich, in den meisten Fällen ist die Stimme weiblich. Wäre es nicht besser, eine nicht-binäre Stimme für KI zu verwenden? Der Film basiert auf einer sehr persönlichen Geschichte von mir und meinem Partner, und durch die Auseinandersetzung mit dem Thema Nicht-binär habe ich auch ein tieferes Verständnis zum Thema Demokratie und Freiheit erlangt, welches ich auch in dem Film einbauen möchte.
Bisher bist du als Tonmeister hinter der Kamera gestanden oder als Sounddesigner am Computer gesessen. Jetzt musst du einen Film von Beginn an formen und auch „schreiben“. Wie ist diese Erfahrung für dich, die Position des Autors und Regisseurs einzunehmen?
Ich habe bisher meistens als Tonmeister am Set oder als Sound Editor/Sounddesigner gearbeitet, aber ein wenig Erfahrung als Regisseur und Kameramann für Werbe- und Musikvideos habe ich auch gesammelt. Ich finde, die größte Herausforderung für mich ist das Schreiben. Oft habe ich die Geschichte, die Bilder und die Töne im Kopf, aber das dann schriftlich in Worte zu fassen ist unglaublich schwer. Und als Tonmensch arbeitet man meistens mit vorhandenem Material. Jetzt muss ich das Material selbst schaffen. Einerseits habe ich hier die volle Freiheit, künstlerische Entscheidungen zu treffen, andererseits ist es auch schwierig, aus so vielen Möglichkeiten eine Richtung auszusuchen und dabeizubleiben.
Helfen dir deine bisherigen praktischen Filmproduktions- und auch Set-Erfahrungen bei der Realisierung deines eigenen Projekts?
Ja, das handwerkliche Können und das Verständnis über das handwerkliche Machen eines Films helfen sehr, einen Rahmen für den Film zu setzen. Und die Erfahrung mit Dokumentarfilmen bisher hilft mir auch für die Recherche. Bei vielen Projekten mit kleinerem Team, oft nur zu dritt – Regie, Kamera und Ton – treffen wir Entscheidungen gemeinsam und versuchen auch zusammen eine Geschichte zu finden. Dabei ist die dramaturgische Arbeit beim Dokumentarfilm für mich kein Fremdland. Außerdem ist das Netzwerk von Kolleg*innen, das man durch die Jahre aufbaut, sehr hilfereich. Aber die Erfahrung kann auch ein Hindernis sein. Manchmal schließt man Möglichkeiten aus, die womöglich technisch schwierig sein könnten, aber es besteht natürlich die Gefahr, dass man dadurch eine spannende Geschichte verpasst.
Tong bei den Drehbarbeiten zu Ein Clown | Ein Leben (R: Harald Aue, 2021).
Du arbeitest beruflich mit Ton/Sound und auch dein geplantes Filmprojekt hat Sound zum Thema. Was fasziniert dich an diesem Element des Films?
Mein Zugang zu Film ist durch den Ton, das ist meine Stärke, deshalb möchte ich den Film auch durch die Töne entstehen lassen. Wir als Menschen können die Augen schließen, aber die Ohren bleiben immer offen, auch wenn wir schlafen. Daher wirkt die Ebene des Tons in einem Film viel subtiler und kann vieles mehr erreichen, was das Bild allein nicht kann. Sei es Foley, ADR oder Sounddesign: die gestalterischen Möglichkeiten des Tons sind unendlich groß. Sowohl am Set als auch in der Postproduktion, jedes Projekt bringt neue Herausforderungen und das ist für mich sehr spannend. Der Moment, wenn man die eigene Arbeit im Kino hört, ist schon etwas ganz Besonderes. Aber vielleicht auch ein bisschen politisch, wenn wir auf der Website der VdFS – Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden nachschauen. Die Hälfte der Filmkunst – die komplette Seite des Filmtons (außer Musik) – ist absichtlich vergessen worden. Mit meinem Filmprojekt möchte ich auch zeigen, wie wichtig der Ton ist. Bei meinem Film geht es auch darum, jegliche Diskriminierung in den Bereichen Film und Gender aufzuzeigen.
In welchem Stadium befindet sich das Startstipendiums-Projekt derzeit und was wird in den nächsten Schritten die größte Herausforderung?
Der Film Auf der Suche nach der nicht-binären Stimme hat schon ein thematisches Konzept. Die Methode, mit der ich die Geschichte erzählen möchte, ist auch schon definiert – durch die Stimme parallel zu einer Mischung von realen und animierten Szenen. Während des Stipendiums konnte ich Interviews mit einigen Expert*Innen durchführen und einen vertiefenden Blick in das Thema „Nichtbinäre Genderidentität“ und „Menschliche Stimme“ gewinnen. Weiters hat das Stipendium mir erlaubt, für eine gewisse Zeit etwas Abstand zum Projekt zu halten und meine persönliche Geschichte aus einem objektiven Blickwinkel zu betrachten. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich in den nächsten Monaten intensiv nach nicht-binären Protagonist*Innen und ihrer Geschichte suchen muss. Das wird eine große Herausforderung. Nach meinem Gefühl braucht der Film noch ein bisschen Zeit, um für die Umsetzung reif zu sein. In der Zwischenzeit möchte ich einen Kurzfilm machen. Die Idee für diesen kam aus meiner Recherche während des Stipendiums und hat ebenfalls mit dem Thema „Genderidentität und Stimme“ zu tun.
Im Dezember 2023 berichtete Tong in einem >> Instagram Takeover von seiner Arbeit als Tonmeister und Sounddesigner.
Welche Filme interessieren dich oder kommen dem am nächsten, wie du Filme machen möchtest?
Ich möchte die drei Filme Seeing Voices von Dariusz Kowalski, STAMS von Bernhard Braunstein und 27 Storeys von Bianca Gleissinger als Referenz für meinen Film nehmen. Diese Filme sind entweder thematisch oder für die Umsetzung eine Inspiration.
Einen Film, an dem ich im Sommer 2023 mitgearbeitet habe, möchte ich demnächst unbedingt im Kino sehen. Ich darf noch nicht allzu viel zu dem Projekt sagen, es ist ein Fantasyfilm, so ähnlich wie Harry Potter. Technisch war die Umsetzung sehr herausfordernd und KI wird dabei eine wichtige Rolle spielen, da bin ich auf das Ergebnis sehr gespannt.
Auch auf den Film über Maria Lassnig von meiner Startstipendium-Mentorin Anja Salomonowitz, einen Film von Harald Friedl über die 24-Stunden-Pflege und einen Film von Nathalie Borgers über die türkische Revolution in den 1980er Jahren bin ich schon gespannt. Diese sind thematisch sehr interessant und deren Umsetzung war durchaus sehr herausfordernd.